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Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Geschichte ja gehört.«
    »Ja«, kam ihre Antwort. »Ich habe sie gehört. Aber ich dachte, Sie seien der Gefangene gewesen, den Western niederstechen wollte …«
    King hatte ihre Worte gar nicht wahrgenommen. »Ich habe sie beobachtet, wie sie durch den Sand getrottet sind. Auf dem Weg zu irgendeinem netten Lager, wo ihnen der Krieg nichts mehr anhaben konnte. Wir dagegen sollten weiterkämpfen und womöglich sterben.«
    Leo Derwents Stimme erklang zum erstenmal. »Und dagegen mußten Sie etwas unternehmen, nicht wahr, Harold?«
    »Unternehmen?« Vor Wut zitternd hatte King auf deutsch losgeflucht. »Verdammte Scheiße! Ich sage Ihnen, was ich getan habe. Ich habe das Maschinengewehr übernommen und den Lauf auf jeden einzelnen von ihnen gerichtet. Sie sollten vor Angst schwitzen – so wie der Junge geschwitzt hatte, als er von ihren Plänen erfuhr … Es war lustig, wirklich lustig.« Die Worte eines Wahnsinnigen. Julia lief es kalt den Rücken hinunter. »Ich habe den Jungen zu mir nach hinten in den Wagen gerufen. Er hat sich neben mich gesetzt. Ich habe ihn gefragt: ›Kannst du Englisch sprechen? Dann sag ihnen … sag ihnen, daß ich sie lehren werde, das Kriegsrecht zu respektieren.‹ Ich hatte ihm vorher etwas Brandy eingeflößt – und siehe da, er fing tatsächlich an zu brüllen und zu schreien. Wissen Sie, was als nächstes passiert ist? Western hat sich umgedreht und ist weggelaufen. Hat seine Männer im Stich gelassen, nur um seine eigene Haut zu retten. Er ist nicht weit gekommen. Ich habe ihn mit einer Salve niedergestreckt. Dann …« Hier hatte King eine Pause eingelegt, um die Spannung zu erhöhen. »Dann habe ich den Rest erschossen. Hab' einfach den Finger am Abzug gelassen und die Puppen tanzen lassen … Die Kugeln haben so viel Staub aufgewirbelt, daß ich husten mußte … Und dann hat dieser dämliche Junge angefangen, sich zu übergeben. Vielleicht war der Brandy schuld, vielleicht das viele Blut – ich weiß es nicht. Jedenfalls hat er sich über die eine Seite des Wagens hinausgelehnt und sich die Seele aus dem Leib gekotzt.«
    »Großer Gott«, rief Leo bestürzt.
    Unbeirrt fuhr King fort. »Leider habe ich einen großen Fehler begangen. Ich bin nicht ausgestiegen, um nachzusehen. Der Hundesohn war zwar schwer verwundet, hat aber noch gelebt. Eine andere deutsche Patrouille hat ihn später aufgelesen und ins Krankenhaus gebracht. Ich hatte alle Männer für tot gehalten. Erst bei unserem Stützpunkt habe ich davon gehört … von dem angeblichen Gefecht, bei dem vier britische Soldaten getötet und einer verletzt worden seien … Mir war klar, daß ich Schwierigkeiten bekommen konnte – vor allem, als wir den Krieg dann doch verloren haben. Also bin ich desertiert und habe mir die Geschichte von dem armen, heimatlosen Opfer ausgedacht. Clever, nicht wahr? Ich sah ja wirklich wie ein Flüchtling aus. Wir hatten zum Schluß überhaupt nichts mehr zu essen bekommen und mußten uns wie die Tiere von Wurzeln und Beeren ernähren … Dann hat sich die nette Dame von der UNRRA meiner erbarmt. Natürlich wollte sie in erster Linie von mir betätschelt werden.« Sein Gelächter klirrte in Julias Ohren. »Ein Gefecht. Das Hasenherz hat sich das ausgedacht, um nicht für die eigene Feigheit geradestehen zu müssen. Einfach wegzulaufen, die anderen ihrem Schicksal zu überlassen … Ich war das Gefecht!«
    Julia sah erneut vor sich, wie er triumphierend aufgesprungen war und mit heiserer Stimme geschrien hatte: »Ich habe sie alle getötet! Und soll ich Ihnen etwas sagen? Ich bin stolz darauf … Stolz … Ich würde es wieder tun, wenn ich die Gelegenheit dazu hätte!«
    An dieser Stelle hatte sie es nicht länger ertragen können. Wie ein schriller Aufschrei war es aus ihr herausgebrochen: »Sie Mörder! Sie gemeiner, verdammter Mörder! Sie wandern für den Rest Ihres Lebens hinter Gitter … Sie haben Jean Adams ermorden lassen …« Dann war sie in hemmungsloses Schluchzen ausgebrochen. King hatte betont gelassen geantwortet:
    »Sie wollte es nicht anders. Was hat sie sich eingemischt, die dumme Kuh …« Danach war die Situation eskaliert, und King hatte versucht, Leo und sie zu attackieren. Auf dem Band waren die Geräusche des Kampfes festgehalten – das Gepoltere, das Zersplittern von Glas, der dumpfe Aufprall, als King gegen die Wand gerannt war. Und ganz zum Schluß Kings größenwahnsinnige Abschiedsworte …
    »Ihr könnt mir nichts anhaben … Ich bin zu

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