Die Entlarvung
einmal, und es hat zu nichts geführt.«
Sie fuhr zusammen mit ihrem Mann nach London. Die Trennscheibe zu dem Chauffeur war geschlossen, so daß dieser nichts hören konnte.
»Das Gleiche habe ich Julia auch gesagt«, bestätigte William Western. »Aber wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat … Es geht um diese Frau, die den Bastard nach England gebracht hat. Ihr Tod, so wie er von Kings Biographen beschrieben wird, ist amtlich nicht vermerkt. Julia will der Sache nachgehen. Ich denke nicht, daß die Angelegenheit von irgendeiner Bedeutung ist. King hat, was seine Person betrifft, so oft gelogen, daß es auf einmal mehr auch nicht ankommt. Das gute ist nur, daß Julia Harris überredet hat, mit ihr zusammenzuarbeiten. Bei mir hat er nämlich nein gesagt, wie du weißt.«
»Ich kann es ihm nicht verdenken, nachdem du ihn das erste Mal so zurückgepfiffen hast«, bemerkte Evelyn.
»Ich hatte keine andere Wahl«, verteidigte sich Western. »Sie hatten Richard Watson gefunden. Ich mußte mich zurückziehen.«
»Ich weiß.« Beruhigend strich sie über seine Hand.
»Vielleicht war das Ganze nur ein Bluff, aber ich konnte nichts riskieren. Meine Ernennung zum Lord stand kurz bevor, außerdem kämpften wir auch gerade um die TV-Lizenz – ich mußte Harris von dem Fall abziehen.«
»Wir hätten mit ihm sprechen sollen«, sagte Evelyn langsam. »Ich habe dich damals so darum gebeten. Aber du hast nicht auf mich gehört, Billy.«
»Ich kenne ihn besser als du«, gab Western zurück. »Er ist nicht der Typ, der sich kaufen läßt. Und das hätte King gerade noch gefehlt – ein Beweis, daß ich bei Watson war, um ihn zu bestechen. Damit hätte King mich erledigt.«
»Er wird es jetzt tun, Bill«, meinte Evelyn. »Es ist nur eine Frage der Zeit.«
»Auf die Zeit kommt es an, genau«, entgegnete er. »King will sich den Herald unter den Nagel reißen und wartet den günstigsten Moment dafür ab. Ich aber werde ihm zuvorkommen, Evie. Ich werde ihn als Lügner und Betrüger entlarven, so daß ihm niemand je wieder ein Wort glauben wird.«
»Und du meinst, daß Julia es schaffen wird?«
»Mit Harris' Hilfe – ja. Ich muß daran glauben. Ich muß.«
Evelyn Western sah aus dem Fenster. Draußen regnete es. Durch das beschlagene Glas konnte sie im Dämmerlicht kaum etwas erkennen.
»Ich wünschte, er wäre tot«, stieß sie hervor.
Western schwieg. Das gleiche war ihm auch schon oft durch den Kopf gegangen. Der allerletzte Ausweg, sollte es zum Äußersten kommen. Aber darüber wollte er mit seiner Frau nicht sprechen.
Kapitel 4
Harold King drehte sich mit seinem Stuhl zu der riesigen Glasfront herum, die eine Seite des Raums begrenzte. Von hier aus bot sich ein großartiger Panoramablick über London; die Themse schimmerte wie ein langer, silbriger Streifen, in der Ferne waren die spitzen Türme von Westminster und das Parlamentsgebäude der Commons zu erkennen. Zu dem Zeitpunkt, als er gerade seine erste Million verdient hatte, war er der Liberalen Partei beigetreten. Er hatte immer davon geträumt, eines Tages Parlamentsmitglied zu werden. Bei der nächsten Wahl hatte er sich als Kandidat aufstellen lassen, war aber von dem Labour-Vertreter weit überrundet worden. Seitdem führte er einen gnadenlosen Feldzug gegen den Abgeordneten wie auch gegen die Labour-Partei an sich. Die Niederlage hatte ihn schwer getroffen. Er empfand sie als persönliche Erniedrigung, die er weder vergessen noch verzeihen konnte. Seine eigentlichen Ambitionen richteten sich allerdings nicht auf das Unterhaus, sondern auf das Oberhaus – das Parlament der Lords.
Im Moment jedoch war dies noch Zukunftsmusik. Das Oberhaus kam für ihn erst in Frage, wenn er seine Macht und seinen Einfluß weiter ausgedehnt hatte. Wenn er den Sunday Herald in seinen Besitz gebracht hatte. Und mit ihm die Politikjournalisten, die das Blatt berühmt gemacht hatten, wie auch die Wirtschaftsexperten, die so angesehen waren, daß sie das Finanzministerium und den Schatzkanzler berieten. Westerns Zeitung stellte ein regelrechtes Machtinstrument dar.
Western hatte die besten Leute eingestellt, bezahlte ihnen die höchsten Gehälter und hatte sich selbst einen Sitz im Oberhaus gesichert. Er war mit Angehörigen der Regierung befreundet und wurde auch von der Opposition umworben. Western verkörperte all das, was Harold King auf dem Höhepunkt seiner Karriere noch erreichen wollte.
Seine Gedankengänge, an diesem Morgen optimistisch und sonnig wie das
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