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Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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niederhagelten.
    Er hatte schon öfter erlebt, daß der Boß die Beherrschung verlor. Es blieb einem nichts anderes übrig, als stillzuhalten und abzuwarten, bis der Sturm sich legte. Er wunderte sich jedoch jedesmal von neuem über das stattliche Vokabular von Schimpfwörtern, über das King verfügte. Er mochte zwar mit leichtem Akzent sprechen, sein Wortschatz aber stand dem eines Einheimischen in nichts nach, wenn es ums Fluchen ging. Joe nahm seinem Boß den Ausbruch nicht übel. Er hätte eben nicht so einfach verschwinden dürfen. Erst als King sich allmählich wieder beruhigte, riskierte er es, auch etwas zu sagen. Er kannte seinen Chef zu gut, um ihm mit irgendwelchen Ausflüchten zu kommen.
    »Es tut mir leid. So etwas wird nicht wieder vorkommen.«
    »Wenn doch«, brüllte King ein letztes Mal los, »dann bist du gefeuert.« Jetzt nahm seine Stimme wieder einen normalen Tonfall an. »Hast du dir Julia Hamiltons Freund vorgenommen?«
    »Ja, das war kein Problem. Ich habe ihn nur ein wenig angetippt, und er hat gesungen wie eine Nachtigall. Julia Hamilton arbeitet an den ›Enthüllungen‹, dieser neuen Schnüffelserie. Sie hat Sie im Visier. Angeblich im Zusammenhang mit der Verleihung von Lordtiteln. Genaueres scheint der Typ nicht zu wissen.«
    »›Die Enthüllungen‹«, wiederholte King. »Das paßt. Der erste Artikel soll im November erscheinen.« Er sprach wie zu sich selbst, schien Joe kaum noch zu beachten. Im nächsten Moment aber sah er auf und herrschte ihn an: »Ich will, daß sie beobachtet werden. Hamilton und Harris. Über jeden Schritt, den sie tun, muß ich unterrichtet werden. Ich will wissen, wohin sie gehen, mit wem sie sich treffen … Alles ist wichtig, hast du verstanden? Ich erwarte jeden Tag einen Bericht. Und laß dir eines raten, Joseph«, er verwandte absichtlich Joes vollen Namen. »Besuche in nächster Zeit lieber keine Pferderennen!«
    Er musterte seinen Untergebenen düster.
    »Und jetzt mach, daß du wegkommst!«
    »Sie weigert sich, eine eidesstattliche Erklärung abzugeben«, sagte Julia.
    »Hast du versucht, sie anzurufen?« erkundigte sich Ben.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich werde wohl noch einmal zu ihr hinfahren müssen. Aber du kommst dann am besten mit. Vielleicht läßt sie sich von einem Mann eher überzeugen. Sie ist allerdings eine recht eigensinnige Dame – so schnell wird sie nichts umstimmen.«
    Ben nahm sie in den Arm. Sie hielten sich in Julias Wohnung auf. Seit einiger Zeit schon überlegte sie, ob er wohl bei ihr einziehen würde. »Hör zu, du hast die Nichte gefunden und die wirklich dunklen Seiten des ehrenwerten Mr. King entdeckt. Wir müssen uns weiter um seine Kriegsvergangenheit kümmern. Wenn wir ihm die Morde nachweisen können, dann haben wir ihn in der Hand. Vielleicht sollte ich allein mit der Frau sprechen, damit sie sich nicht zu bedrängt fühlt.«
    »Du hast recht«, meinte Julia. »Sie soll nicht denken, daß wir irgendeinen Druck auf sie ausüben. Sonst ist sie womöglich gar nicht mehr bereit, mit uns zusammenzuarbeiten. Ich kenne diesen Typ. Du fährst also, Ben. Der Anwalt hat ihr von der eidesstattlichen Erklärung abgeraten. Er befürchtet, daß King sie wegen Verleumdung vor Gericht zerren könnte. Oh, wenn du wüßtest, wie wütend ich bin!«
    »Komm, beruhige dich«, versuchte Ben sie zu besänftigen. »Die Sorgen des Anwalts sind ja nicht ganz unberechtigt. Wir sind heute ganz schön hitzig, nicht wahr?«
    Und dann – völlig überraschend – folgte sein Geständnis: »Vielleicht liegt es an deinem Temperament, daß ich mich so in dich verliebt habe.« Ehe sie etwas entgegnen konnte, beugte er sich vor und küßte sie auf den Mund – zuerst zärtlich, dann immer fordernder und leidenschaftlicher. »Es ist mein Ernst. Ich liebe dich«, wiederholte er. »Hoffentlich habe ich jetzt nicht alles verdorben.«
    Julia strich mit ihren Fingerspitzen über seine Lippen. »Ich habe schon gefürchtet, du würdest es nie sagen«, flüsterte sie und erwiderte seinen Kuß.
    Als er ihre Brüste zu liebkosen begann, wich sie ein Stück zurück.
    »Bitte nicht«, bat sie. »Noch nicht. Laß uns erst ein wenig miteinander sprechen. Weißt du, was ich an dir liebe, Ben? Daß uns soviel mehr verbindet als einfach nur Sex.«
    »Zum Beispiel?« murmelte er. Er hatte sie immer noch im Arm, hielt sich im übrigen jedoch zurück.
    »Wir können über alles reden, uns über alles austauschen, sogar über die gleichen Witze lachen. Und

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