Die Entlarvung
darum, Joe. Keine eidesstattliche Erklärung!«
Joe sprang eilig auf. »Ich werde mich der Sache persönlich annehmen«, erklärte er mit weicher Stimme. »Überlassen Sie alles nur mir.«
King antwortete nicht. Lediglich ein Nicken bestätigte die stillschweigende Übereinkunft, die sie getroffen hatten. Joes Mädchen half King in den Mantel und öffnete ihm die Tür, nachdem der Wagen vorgefahren war. Sie sieht gut aus, dachte er, während er sie anerkennend musterte. Farbige Frauen sagten ihm eigentlich nicht zu, aber diese hier war auf ihre Art sehr schön.
Er hatte sich weitgehend von dem Schock erholt. Seine Nerven hatten sich beruhigt, ihm war nicht mehr kalt, und sein Herz schlug in normalem Rhythmus. Es würde keine Erklärung geben, die Julia Hamilton für ihre ›Enthüllungen‹ verwenden könnte. Dafür würde Joe sorgen. Auf ihn konnte man sich verlassen. Er verfügte über einfallsreiche und überzeugende Methoden. In seinem Wagen ging King die ganze Geschichte noch einmal durch. In Deutschland hatte alles begonnen. Trotz seiner Vorsichtsmaßnahmen mußte es dort eine undichte Stelle geben. Aber sobald die Jean-Adams-Verbindung zerschlagen war, würden von der Vergangenheit nichts als Gerüchte übrigbleiben. In seinen Mafiakreisen galt folgende Regel, die er gerne zitierte: Willst du es mit einem Syndikat aufnehmen, müssen Köpfe rollen. Jean Adams würde als erste an die Reihe kommen.
Ben Harris saß seiner Tochter gegenüber. Er hatte vergessen, wie hübsch sie war. Sie hatte die blauen Augen und das blonde Haar ihrer Mutter. Nur die dunklen Ringe unter den Augen und die kummervolle Miene paßten nicht recht zu der ansonsten so strahlenden Erscheinung.
»Mit Mum kann ich darüber nicht sprechen«, sagte Lucy. »Sie würde zusammenbrechen.«
Sie nippte an ihrem Kaffee. Eine Fremde, in der er nur ansatzweise das Kind wiedererkannte, das er auf seinen Knien geschaukelt hatte. Eine junge Frau mit einem Problem, das sie weder mit ihrer Mutter noch mit ihrem Stiefvater besprechen konnte. Daher das plötzliche Interesse an dem Vater, mit dem sie seit Jahren kaum noch in Verbindung gestanden hatte.
»Mein Stiefvater ist das eigentliche Problem«, fuhr sie fort. »Er hat zu diesem Thema einige sehr merkwürdige Ansichten. Seiner Meinung nach würde ich Schande über die Familie bringen.«
Ben antwortete nicht gleich. Er hatte den Mann nie kennengelernt, den seine Frau nach der Scheidung geheiratet hatte. Sein Interesse an ihm war auch nicht sonderlich groß gewesen, er hatte jedoch angenommen, daß der Mann gut zu den Kindern war. Anscheinend nicht in diesem Fall.
»Die Sache geht ihn gar nichts an«, sagte Ben schließlich. »Du mußt deine Entscheidung alleine treffen.«
»Ja«, fiel seine Tochter schnell ein, »so sehe ich das auch. Ich möchte das Baby behalten, Dad. Pete trifft keine Schuld. Ich war diejenige, die nicht aufgepaßt hat.« Pete war – wenn er dies richtig verstanden hatte – der verheiratete Freund seiner Tochter, der seine Familie unter gar keinen Umständen verlassen würde. Er besaß bereits drei Kinder.
»Das dumme ist …« Sie biß sich auf die Lippen und zögerte einen Moment. »Das dumme ist, daß ich nicht viel Geld habe …«
Ben kam ihr zu Hilfe. Es tat ihm weh, ihre Verlegenheit mit anzusehen. Immerhin war er ihr Vater.
»Du meinst, dir fehlen die finanziellen Mittel?«
»Ich absolviere gerade mein letztes Jahr am College«, erklärte sie. »Auf der Bank habe ich neunzig Pfund. Mit meinem Stipendium bezahle ich meine Miete. Von Mum bekomme ich noch einen Zuschuß, aber der wird nicht reichen …« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Mir ist es schrecklich unangenehm, dich mit meinen Angelegenheiten zu belästigen. Zumal ich mich bei eurer Trennung auf Mums Seite gestellt habe.« Ben beugte sich vor und nahm ihre Hand.
»Lucy, mein liebes Mädchen, du mußt dich nicht entschuldigen. Ich bin ein miserabler Vater gewesen. Deine Mutter hatte recht, mich zu verlassen. Vielleicht kann ich jetzt ein paar meiner Versäumnisse wiedergutmachen. Du möchtest dieses Baby haben, also bekomme es auch. Geld ist überhaupt kein Problem. Aber du mußt mit deiner Mutter sprechen.«
»Ich weiß«, sagte sie. »Aber sie wird die Neuigkeit nicht gut aufnehmen.«
»Sie wird sich daran gewöhnen. Euch beide hat sie heiß und innig geliebt – bei ihrem Enkel wird das nicht anders sein, warte nur ab.«
Seufzend lehnte sich Lucy zurück. Sie holte einen rosafarbenen
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