Die Entlarvung
dem Maße, wie Tina es tat. »Leg es mal an«, forderte sie ihre Freundin auf. »Es ist hübsch. Mir gefällt es.«
Tina schob das Armband über ihr Handgelenk und fingerte ungeschickt an dem Verschluß herum. »Von mir aus könntest du es ja haben. Aber du kennst Joe, er würde mir alle Zähne ausschlagen, wenn ich sein wertvolles Geschenk nicht behielte.« Ungeduldig zerrte sie an dem zierlichen Geschmeide. »Verdammt, ich kriege es nicht ab …«
»Warte, warte, ich helfe dir«, sagte Tracey. »Du machst es sonst noch kaputt.« Behutsam öffnete sie den Verschluß. »Es hat sogar ein Sicherheitskettchen – für den Fall, daß sich der Haken einmal von allein löst. Vielleicht handelt es sich doch um echtes Gold.«
Tina hielt das Schmuckstück in die Höhe. Die kleinen Steine glitzerten und funkelten.
»An billigem Modeschmuck habe ich noch nie so ein Kettchen gesehen«, beharrte Tracey. »Es könnte doch einiges wert sein.«
»Ja, vielleicht«, meinte Tina. »Woher er das Stück wohl hat …?«
Felix ging an die Bar und bestellte sich ein großes Glas Bier. Die Fotografien der Boxer, die überall an den Wänden hingen, waren verblichen und verschmutzt, die Signaturen beinahe unleserlich. Es befand sich keiner der augenblicklichen Champions darunter. Felix kannte die abgebildeten Sportler alle noch aus seiner Zeit als Amateurboxer. »Ich suche Joe Patrick«, wandte er sich an den Barmann. »Er ist nicht hier«, kam prompt die Antwort. Der Mann musterte Felix mißtrauisch.
»Wissen Sie, wo ich ihn erreichen kann?« hakte Felix nach.
»Ich kann ihm etwas ausrichten, wenn er das nächste Mal kommt«, bot der Barkeeper mürrisch an.
»Wir haben uns hier einmal getroffen«, erklärte Felix. »Es ging um etwas Geschäftliches. Können Sie ihm ausrichten, daß er mich anrufen soll? Mein Name ist Felix Sutton – vom Sunday Herald.«
Der Mann stellte das Glas beiseite, das er gerade gespült hatte. Mit Joe Patrick war nicht zu spaßen. Er konnte es sehr übelnehmen, wenn man ihm ein gutes Geschäft verpatzte. »Warten Sie einen Moment. Ich höre nach, was der Boß dazu meint.«
Der Lokalbesitzer, identisch mit dem dickbäuchigen Mann, der sich mit den Boxern hatte ablichten lassen, saß in einem Hinterzimmer und sah fern. Nachdem der Barmann mit ihm gesprochen hatte, griff er zum Telefon und wählte Joe Patricks Nummer.
Felix wartete an der Bar und trank sein Bier. Das Ganze schien länger zu dauern.
Der Barkeeper kam zurück und bediente die neuen Gäste. Eine Frau in schrillem Outfit, offensichtlich ein Strichmädchen, warf Felix auffordernde Blicke zu. In diesem Augenblick erschien der Besitzer und ließ sich von seinem Barmann zu Felix fuhren.
»Joe kommt gleich vorbei«, verkündete er. »Während Sie auf ihn warten, bestellen Sie sich, was Sie möchten. Geht auf Kosten des Hauses.«
»Danke«, erwiderte Felix. »Ich nehme noch ein Bier.« Er ließ sich auf einer der Sitzgruppen nieder. Der Tisch war klebrig, und es roch nach verschüttetem Bier.
Die Prostituierte tänzelte auf ihn zu. Sie war sehr jung und auffallend hübsch. Sie trug einen ultrakurzen Minirock, der ihr kaum bis an die Oberschenkel reichte. Der Besitzer, der sich noch einmal umgedreht hatte, winkte ihr ärgerlich zu. Sie zog eine Grimasse und machte sich schmollend davon.
Felix lächelte ihr zu. Sie lächelte zurück. Gegen ein kleines Schäferstündchen hätte er nichts einzuwenden gehabt, aber er dachte nicht im Traum daran, dafür zu bezahlen.
»Guten Tag allerseits.« Joe Patrick schob sich einen Stuhl heran. Er war in einen Kaschmirmantel gehüllt und roch aufdringlich nach Eau de Cologne. Angewidert rückte Felix ein Stück zur Seite.
»Sie wollten mich sprechen?« Die strahlend weißen Zähne blitzten auf – ein Paradestück moderner Zahnkunst.
»So ist es«, sagte Felix. »Was möchten Sie trinken?«
»Scotch«, antwortete Joe. »Womit kann ich Ihnen dienen?«
»Sie erinnern sich an die Story, die Sie mir angeboten haben?« begann Felix mit gesenkter Stimme.
»Die Sache mit den Kinderpornos?«
»Genau die. Es gibt möglicherweise einen Abnehmer.«
»Sie sagten doch neulich, Sie hätten keine Verwendung dafür.«
»Ich selbst nicht, das ist richtig. Aber ich habe mit meiner Freundin – genauer meiner Exfreundin – gesprochen«, er zuckte die Schultern, »und sie meint, daß die Geschichte für die ›Enthüllungen‹ geeignet ist. Sie hat mich beauftragt, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen. Sie würden gut
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