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Die Entmündigung (German Edition)

Die Entmündigung (German Edition)

Titel: Die Entmündigung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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von der alten Pariser Bourgeoisie bevorzugten braunen Töne, die heute bei den Genrebildern eine schöne Wirkung machen. Die Wände waren mit einfarbiger Tapete bekleidet, die gut zu den Malereien paßte. Die Fenster hatten billige Vorhänge, die aber so ausgewählt waren, daß sie in Übereinstimmung mit dem Gesamtaussehen standen. Die Möbel waren spärlich, aber gut verteilt. Wer die Wohnung betrat, konnte sich nicht eines angenehmen friedlichen Eindrucks erwehren, der von der tiefen Ruhe, dem herrschenden Schweigen und der einheitlichen bescheidenen Farbe ausging. Ein gewisser vornehmer Zug in den Einzelheiten, die ausgesuchte Sauberkeit der Möbel, eine vollkommene Übereinstimmung zwischen Dingen und Personen, alles ließ einem das Wort »reizend« auf die Lippen kommen. Wenige Menschen waren in diesen von dem Marquis und seinen beiden Söhnen bewohnten Zimmern zugelassen, deren Existenz der ganzen Nachbarschaft geheimnisvoll erscheinen mußte. In einem rückwärts von der Straße gelegenen Seitenflügel befanden sich im dritten Stock drei große Zimmer, die im Zustande des Verfalls und der grotesken Nacktheit geblieben waren, in die sie die Druckerei versetzt hatte. Diese drei, für die Erforschung der pittoresken Geschichte Chinas bestimmt, waren so verteilt, daß sie ein Bureau, ein Magazin und ein Arbeitszimmer, in dem sich Herr d'Espard einen Teil des Tages aufhielt, umfaßten, denn vom Frühstück bis um vier Uhr nachmittags verweilte der Marquis in seinem Arbeitszimmer in der dritten Etage, um die Veröffentlichung, die er übernommen hatte, zu überwachen. Hier fanden ihn gewöhnlich die Personen, die ihn besuchten. Bei der Rückkehr aus der Schule gingen die Kinder häufig in sein Bureau hinauf, die Wohnung im Erdgeschoß bildete also ein Heiligtum, in dem der Vater und seine Söhne von der Essensstunde bis zum andern Morgen blieben. Sein Familienleben war sorgfältig abgeschlossen. Er hatte als einzige Bedienung eine Köchin, eine alte Frau, die seit langer Zeit zu dem Hause gehörte, und einen vierzig Jahre alten Kammerdiener, der ihm schon gedient hatte, bevor er Fräulein de Blamont heiratete. Die Erzieherin der Kinder war bei ihnen geblieben. Die peinliche Sorgfalt, mit der die Wohnung gehalten war, zeigte den Geist der Ordnung, der mütterlichen Liebe, die diese Frau für die Interessen ihres Herrn in der Führung seines Hauses und in der Leitung der Kinder bewies. Ernst und wenig mitteilsam schienen diese drei Leute den Gedanken begriffen zu haben, der das häusliche Leben des Marquis leitete. Dieser Gegensatz zwischen ihrem Wesen und dem der meisten anderen Diener warf ein so geheimnisvolles Licht auf dieses Haus, daß es viel zur Verleumdung beitrug, für die Herr d'Espard sich selbst eine Blöße gab. Lobenswerte Gründe hatten ihn den Entschluß fassen lassen, mit keinem der Mieter seines Hauses in Beziehungen zu treten. Als er die Erziehung seiner Kinder auf sich nahm, wünschte er, sie von allen Berührungen mit Fremden fernzuhalten. Vielleicht wollte er auch die Unannehmlichkeiten der Nachbarschaft vermeiden. Bei einem Manne von seiner Qualität, in einer Zeit, wo der Liberalismus besonders das lateinische Viertel erregte, mußte eine solche Lebensweise kleinlichen Unwillen, Empfindungen, deren Lächerlichkeit nur mit ihrer Niedrigkeit vergleichbar war, erregen, die Geschwätz bei den Portiersleuten hervorriefen, vergiftetes Geschwätz von Tür zu Tür, von dem Herr d'Espard und seine Leute nichts wußten. Sein Kammerdiener galt für einen Jesuiten, seine Köchin war eine Schleicherin, die Gouvernante verstand sich mit Frau Jeanrenaud, um den Verrückten auszuplündern. Der Verrückte war der Marquis. Die Mieter gelangten unwillkürlich dazu, eine Menge von Dingen, die sie bei Herrn d'Espard beobachtet und dann durch das Sieb ihrer Kritik hatten gehen lassen, für Irrsinn zu halten, weil sie keine vernünftigen Gründe dafür finden konnten. Da sie wenig an den Erfolg seiner Publikation über China glaubten, hatten sie schließlich den Eigentümer des Hauses davon überzeugt, daß Herr d'Espard kein Geld habe, und zwar gerade in dem Moment, wo er in einer Vergeßlichkeit, die sich viele beschäftigte Leute zu schulden kommen lassen, sich von dem Steuereinnehmer eine Aufforderung zur Zahlung der rückständigen Steuer zukommen ließ. Der Hauseigentümer hatte daher am 1. Januar seinen Mietzins durch Übersendung einer Quittung verlangt, die die Portiersfrau zurückzubehalten sich den Spaß

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