Die Entmündigung (German Edition)
offen, die Luft des Gartens verbreitete im Salon ihren Blumenduft; die Strahlen der Sonne erheiterten und belebten den ein wenig braunen Ton des Holzwerks. Bei diesem Anblick war Popinot der Meinung, daß ein Irrsinniger kaum imstande sein könne, die liebliche Harmonie herzustellen, die ihn jetzt ergriff.
›Ich brauchte eine solche Wohnung‹, dachte er. Dann fragte er laut: »Werden Sie dieses Quartier bald verlassen?«
»Ich hoffe es«, erwiderte der Marquis; »aber ich will noch abwarten, bis mein jüngerer Sohn seine Studien beendet hat und bis der Charakter meiner Kinder sich so vollkommen ausgebildet hat, daß ich sie in die Gesellschaft und bei ihrer Mutter einführen kann; im übrigen will ich, nachdem ich die solide Ausbildung, die sie sich aneignen, vollendet habe, sie noch ergänzen, indem ich sie die Hauptstädte Europas bereisen lasse, um sie Menschen und Dinge selbst sehen zu lassen und sie daran zu gewöhnen, die Sprachen, die sie gelernt haben, zu sprechen. Mein Herr,« sagte er und ließ den Richter im Salon Platz nehmen, »ich möchte Sie nicht über die Publikation über China vor einem alten Freunde meiner Familie, dem Grafen de Nouvion, unterhalten, der als Emigrant ohne jedes Vermögen zurückgekehrt ist, und mit dem ich diese Sache zusammen mache, weniger um meinet- als um seinetwegen. Ohne ihm die Gründe für mein zurückgezogenes Leben anzuvertrauen, sagte ich ihm, daß ich ruiniert sei wie er, daß ich aber noch genug Geld hätte, um ein Spekulationsgeschäft zu unternehmen, bei dem ich es nutzbringend anlegen könnte. Mein Erzieher war der Abbé Grozier, den auf meine Empfehlung Karl X. zu seinem Bibliothekar an der Bibliothek des Arsenals ernannte, die ihm zurückgegeben wurde, als er ›Monsieur‹ war. Der Abbé Grozier besaß tiefe Kenntnisse über China, seine Sitten und Gebräuche; er hatte mich zu seinem Erben in einem Alter bestimmt, wo es schwer ist, sich nicht für das, was man lernt, zu begeistern. Mit fünfundzwanzig Jahren konnte ich Chinesisch, und ich gestehe, daß ich mich niemals einer ganz besonderen Bewunderung dieses Volkes enthalten konnte, das seine Eroberer erobert hat, dessen Geschichte unstreitig auf eine Epoche zurückgeht, die weiter zurückliegt als die mythologischen oder biblischen Zeiten; das vermöge seiner unabänderlichen Institutionen die Integrität seines Territoriums erhalten hat, dessen Monumente gigantisch, dessen Verwaltung vollkommen ist, bei dem Revolutionen unmöglich sind, das das nur ideal Schöne für ein unfruchtbares Kunstprinzip angesehen hat, das Luxus und Industrie auf eine so hohe Stufe gehoben hat, daß wir es in keinem Punkte übertreffen können, während es uns dort gleichkommt, wo wir uns für überlegen halten. Aber, mein Herr, wenn es mir auch oft passiert, daß ich scherze, wenn ich die Lage der europäischen Staaten mit China vergleiche, so bin ich doch kein Chinese, ich bin ein französischer Edelmann. Wenn Sie über die finanzielle Grundlage dieses Unternehmens Zweifel hegen, so kann ich Ihnen beweisen, daß wir mit zweitausendfünfhundert Subskribenten auf dieses ikonographische, statistische und religiöse, literarische Denkmal rechnen, dessen Bedeutung allgemein anerkannt wird. Unsere Subskribenten gehören allen Nationen Europas an, wovon wir nur zwölfhundert in Frankreich haben. Unser Werk wird ungefähr dreihundert Franken kosten, und der Graf de Nouvion wird auf seinen Anteil sechs- bis siebentausend Franken Einkommen haben, denn die Beschaffung eines erträglichen Lebensunterhalts für ihn war der geheime Anlaß zu diesem Unternehmen. Auf meinen Teil habe ich nur die Möglichkeit ins Auge gefaßt, meinen Kindern einige Annehmlichkeiten zu verschaffen. Die hunderttausend Franken, die ich verdient habe, sehr gegen meinen Willen, sind für ihre Fecht- und Reitstunden, ihre Toilette, ihre Theater, ihre Tanzstunden, ihren Malunterricht, die Bücher, die sie kaufen wollen, kurz alle die kleinen Liebhabereien, die die Väter so gern befriedigen. Hätte ich solche Genüsse meinen armen, so verdienstvollen, so arbeitswilligen Kindern verweigern müssen, das Opfer, das ich unserm Namen hätte bringen müssen, wäre mir doppelt schmerzlich gewesen. In der Tat, mein Herr, die zwölf Jahre, in denen ich mich von der Welt zurückgezogen habe, um meine Kinder aufzuziehen, haben mich bei Hofe völlig in Vergessenheit geraten lassen. Ich habe die politische Karriere aufgegeben, ich habe all mein angestammtes Vermögen, ein ganz
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