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Die Entmündigung (German Edition)

Die Entmündigung (German Edition)

Titel: Die Entmündigung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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neu erworbenes, verloren, das ich meinen Kindern hätte hinterlassen können: aber unser Haus wird nichts verloren haben, meine Söhne werden ausgezeichnete Männer sein. Wenn mir die Pairschaft entgangen ist, so werden sie sie in vornehmer Weise erobern, indem sie sich den Geschäften ihres Landes widmen und ihm Dienste leisten, die man nicht vergißt. Indem ich die Vergangenheit unseres Hauses reinwusch, habe ich ihm eine ruhmvolle Zukunft gesichert: habe ich damit nicht eine schöne Aufgabe erfüllt, wenn auch im Geheimen und ohne Ruhm? Haben Sie nun, mein Herr, noch andere Aufklärungen von mir zu verlangen?«
    In diesem Moment erklang das Geräusch mehrerer Pferde im Hofe.
    »Da sind sie,« sagte der Marquis.
    Bald darauf traten die beiden jungen Leute, elegant aber einfach gekleidet, in den Salon, gestiefelt, gespornt, behandschuht und lustig ihre Reitpeitsche schwingend. Ihr belebtes Gesicht brachte die Frische der freien Luft mit, sie strahlten von Gesundheit. Beide kamen, um ihrem Vater die Hand zu drücken, wechselten mit ihm, wie zwischen Freunden, einen Blick voll stummer Zärtlichkeit und begrüßten den Richter kühl. Popinot hielt es für völlig überflüssig, den Marquis noch über seine Beziehungen zu seinen Söhnen zu befragen.
    »Habt ihr euch gut amüsiert?« fragte sie der Marquis.
    »Jawohl, lieber Vater. Ich habe zum erstenmal sechs Puppenköpfe mit zwölf Schüssen heruntergeholt!« sagte Camille.
    »Wo seid ihr geritten?«
    »Im Bois, wo wir unsere Mutter gesehen haben.«
    »Hat sie halten lassen?« »Wir ritten gerade so schnell, daß sie uns jedenfalls nicht gesehen hat«, antwortete der junge Graf. »Aber warum habt ihr euch ihr nicht genähert?« »Ich habe zu bemerken geglaubt, lieber Vater, daß sie nicht öffentlich von uns angesprochen zu sein wünscht, sagte Clemens mit leiser Stimme. »Wir sind ihr ein bißchen zu groß geworden.«
    Der Richter hatte ein genügend feines Ohr, um diesen Satz zu verstehen, der einige Wolken auf der Stirn des Marquis erscheinen ließ. Popinot gefiel sich darin, das Schauspiel zu betrachten, das Vater und die Kinder ihm darboten. Seine Augen kamen mit einer Art zärtlichem Ausdruck zu dem Gesicht des Herrn d'Espard zurück, dessen Züge, Haltung und Manieren ihm die Ehrenhaftigkeit in ihrer schönsten Form darstellten, die geistige und ritterliche Zuverlässigkeit, den Adel in all seiner Schönheit. »Sie, mein Herr, Sie sehen, sagte der Marquis, der wieder zu stottern begann, »Sie sehen, daß die Justiz hier jederzeit eintreten kann; ja jederzeit. Wenn es Verrückte gibt, wenn es Verrückte gibt, so sind es vielleicht nur die Kinder, die ein bißchen vernarrt in ihren Vater sind, und der Vater, der sehr vernarrt in seine Kinder ist; aber das ist eine Verrücktheit von gesunder Beschaffenheit.
    In diesem Augenblick ließ sich die Stimme der Frau Jeanrenaud im Vorzimmer hören, und die gute Frau trat trotz der Vorhaltungen des Kammerdieners herein.
    »Ich mache keine Umwege!« rief sie. »Jawohl, Herr Marquis,« sagte sie und machte eine Verbeugung vor der Gesellschaft, »ich muß sofort mit Ihnen reden. Wahrhaftig ich bin doch zu spät gekommen, hier ist ja schon der Herr Strafrichter.« »Strafrichter?« riefen die beiden Kinder.
    »Es hat schon seinen guten Grund, daß ich Sie nicht zu Hause getroffen habe, da Sie ja hier sind. Ja, wahrhaftig, die Justiz ist immer da, wenn es sich darum handelt, Übles zu tun. Ich komme, Herr Marquis, um Ihnen zu sagen, daß ich mit meinem Sohn übereingekommen bin, Ihnen alles wiederzugeben, da es sich um unsere Ehre handelt, die bedroht ist. Mein Sohn und ich, wir wollen Ihnen lieber alles zurückgeben, als Ihnen den geringsten Kummer verursachen. Man muß in Wahrheit so dumm sein wie ein Topf ohne Henkel, um Sie entmündigen zu lassen...«
    »Unsern Vater entmündigen?« riefen die beiden Kinder und drängten sich an den Marquis. »Was gibt es denn?«
    »Still, Frau Jeanrenaud!« sagte Popinot.
    »Laßt uns allein, Kinder«, sagte der Marquis.
    Die beiden jungen Leute gingen in den Garten.
    »Gnädige Frau,« sagte der Richter, »die Beträge, die der Herr Marquis Ihnen wieder zugestellt hat, stehen Ihnen rechtmäßig zu, obwohl sie Ihnen auf Grund einer sehr weit getriebenen Ehrenhaftigkeit wiedergegeben wurden. Wenn die Leute, die konfiszierte Güter besitzen, aus welchem Grunde es auch immer sei, selbst infolge perfider Machenschaften, nach hundertfünfzig Jahren zur Rückgabe verpflichtet wären, dann würde

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