Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
Vom Netzwerk:
des Kapitols, das er gern als seinen Adlerhorst bezeichnete. Max Salmen, der Direktor der CIA-Operationsabteilung, pflegte gelegentlich die Bemerkung fallen zu lassen, dass dort oben kein Adler, sondern ein Aasgeier hause. Rudin hörte das gar nicht gern, doch genau das war ja auch Salmens Absicht. In den vergangenen Jahren hatte Salmen mehrmals betont, dass es seine einzige Mission vor dem Ruhestand sei, Rudin zu ärgern. Zunächst hatte sich Irene Kennedy gewundert, dass Stansfield ihm das durchgehen ließ, bis ihr schließlich dämmerte, dass es für die Agency gar nicht so schlecht war, wenn Rudin seinen Hass auf Salmen konzentrierte. Sie wünschte sich jedenfalls, dass ihr das heute Morgen zugute kommen würde.
    Die Limousine hielt an einem Security-Checkpoint der Capitol Hill Police an. Nach einer kurzen Überprüfung wurden sie durchgewinkt. Irene Kennedy stieg beim Eingang an der Südostseite aus, spannte ihren Regenschirm auf und ging durch den Regen auf das riesige neoklassizistische Gebäude zu. Nachdem sie eingetreten war, musste sie zuerst einmal die Metalldetektoren passieren. Das Erdgeschoss des Kapitols war zum Großteil von Sitzungszimmern und Büros besetzt und konnte von Besuchern nicht ohne entsprechende Genehmigung betreten werden. Die frei zugänglichen Bereiche lagen überwiegend in der Mitte des Gebäudes; dazu gehörten die Brumidi Corridors, die Hall of Columns und der alte Saal des Obersten Gerichts. Im Südflügel war das Repräsentantenhaus untergebracht, während im Nordflügel der Senat zu Hause war. Im ersten Stock befanden sich die Sitzungssäle für beide Häuser des Parlaments. Das imposanteste Detail des Kapitols, die Rotunda, von der man zur großen Kuppel aufblickte, lag ebenfalls im ersten Stock. Im zweiten Stock waren weitere Sitzungszimmer und Büros untergebracht, aber auch die Galerien, von denen aus Besucher den Senat und das Repräsentantenhaus in Aktion sehen konnten. Bis hierhin war das Haus in makellosem Zustand.
    Irene Kennedy musste in den dritten Stock, der ihr ein bisschen wie das Stiefkind des Kapitols vorkam. Die Büros hier oben waren viel weniger ansprechend, hier und dort blätterte die Farbe ab, und Wasserflecken an den Decken waren nichts Ungewöhnliches. Besucher kamen nur selten hier herauf, was einer der Gründe war, warum hier der Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses untergebracht war. Irene ging an Büro H-405 vorbei, wo die Mitarbeiter des Ausschusses zu Hause waren. Sie öffnete eine der nachfolgenden Türen und trat in einen kleinen Warteraum ein.
    In dem Zimmer befanden sich zwei Personen – ein Polizeibeamter und ein Mitarbeiter, der Irene bat, Platz zu nehmen. Er griff zum Telefon und meldete, dass Dr. Kennedy eingetroffen war. Der Mann hörte einige Augenblicke zu und legte dann auf. Er wandte sich Irene Kennedy zu und sagte: »Es dauert noch ein paar Minuten.«
    Irene Kennedy nickte. Es wird wohl etwas länger als nur ein paar Minuten dauern, dachte sie bei sich. Der Abgeordnete Rudin war berüchtigt dafür, dass er CIA-Leute gern warten ließ. Sie blickte auf ihre Uhr – es war 8.56. Man hatte ihr gesagt, dass sie um neun Uhr hier sein sollte. Sie hätte sich sehr gewundert, wenn man sie vor Viertel nach neun hereingebeten hätte. Sie sollte Recht behalten. Um 9.24 Uhr bat man sie schließlich in den relativ kleinen Ausschusssaal, in dem es weder eine Galerie noch Plätze für Journalisten gab. Die sechzehn Mitglieder des Ausschusses – acht Demokraten, sieben Republikaner und ein Unabhängiger – saßen in zwei Reihen etwa drei Meter vor dem Tisch, an dem sie ihre Aussage machen würde. Dahinter standen noch ein paar Stühle für die Ausschussmitarbeiter, und an der Wand prangten die dreizehn Embleme jener Behörden, die zusammen die so genannte Intelligence Community bildeten. Wie im Ausschusssaal des Senats stand auch hier Sicherheit an erster Stelle. Das Zimmer wurde wöchentlich, manchmal sogar täglich von Technikern der National Security Agency nach Wanzen abgesucht.
    Irene Kennedy legte ihren Terminplaner auf den Tisch, und als sie aufblickte, sah sie Michael O’Rourke auf sich zukommen. Der Kongressabgeordnete aus Minnesota war der einzige Unabhängige im Ausschuss. O’Rourke begrüßte sie und fragte sie, wie es ihrem Sohn gehe. Nachdem sie ein paar höfliche Worte gewechselt hatten, sagte O’Rourke schließlich: »Irene, ich muss Sie etwas fragen – und ich brauche unbedingt eine ehrliche Antwort von

Weitere Kostenlose Bücher