Die Entscheidung
als vielmehr seiner eigenen Karriere. Skandale in Washington wurden von den Medien und vom politischen Gegner genüsslich ausgeschlachtet, und dabei gab es in der Regel jede Menge Opfer. Und wenn es zu einer Untersuchung durch den Kongress kam, würde Brown und nicht Stansfield derjenige sein, der das Ganze auszubaden hatte.
21
Rapp fuhr in einem schwarzen Volkswagen Jetta auf dem Georgetown Pike in westlicher Richtung. Es war bereits dunkel, und der Berufsverkehr begann schon etwas nachzulassen. Der Wagen war auf den Namen Charlie Smith zugelassen. Rapp hatte einen Führerschein in der Tasche, der auf diesen Namen ausgestellt war. Die CIA hatte Rapp in all den Jahren viele nützliche Dinge beigebracht – nicht zuletzt auch, dass es von größter Wichtigkeit war, immer gründlich zu sein und sich einen gewissen Verfolgungswahn zu bewahren. Ein Psychiater hatte ihm einmal gesagt, dass er es lieber Vorsicht nennen sollte und nicht unbedingt Verfolgungswahn, weil man damit doch eher etwas Negatives verband. Rapp hatte über den Einwand nur gelacht; vorsichtig war er schon immer gewesen – doch im Moment fühlte er sich eindeutig paranoid. Wenn man völlig auf sich allein gestellt war und möglicherweise den größten und einflussreichsten Geheimdienst der Welt gegen sich hatte, dann gab es kein besseres Wort, um zu beschreiben, wie man sich fühlte.
Rapp hatte jedoch einen entscheidenden Vorteil gegenüber den meisten anderen, die in eine solche Situation gerieten: Er kannte die Agency von innen. Er wusste, wie sie operierte und dass sie trotz all der Hochtechnologie, die sie einsetzte, auch ihre Grenzen hatte. Wenn jemand einfallsreich und paranoid genug war, hatte er eine gute Chance, zu verschwinden und unauffindbar zu bleiben. Und Rapp besaß beide Eigenschaften. Genau deshalb hatte er sich auch vor drei Jahren diese Identität als Charlie Smith zugelegt und achttausend Dollar für den Wagen bezahlt, in dem er jetzt saß. Deshalb hatte er ihn zusammen mit ein paar anderen nützlichen Dingen an einem gut verborgenen Plätzchen in Rockville verwahrt. Rapp war lange genug der Jäger gewesen, um zu wissen, dass er eines Tages zum Gejagten werden konnte. Und wenn es dazu kam, dann sollte man keine Zeit mehr damit verschwenden müssen, Waffen zu kaufen und Autos zu stehlen.
Als sie unter der Interstate 495 hindurchfuhren, gähnte Shirley herzhaft. Rapp blickte zurück, um nachzusehen, wie es ihr ging. Sie sah ihn mit ihren großen braunen Augen an und leckte sich über die Lippen. Rapp hatte den Hund, der für eine Promenadenmischung recht hübsch aussah, in der Humane Society aufgegabelt. Er hatte gefragt, ob sie einen mittelgroßen gutmütigen Hund hätten, der nicht zu viel bellte. Daraufhin hatten sie ihm Shirley gezeigt, die von Collies, Labradors und noch irgendeiner anderen Rasse abstammte. Sie war drei Wochen in der Humane Society gewesen, ohne dass sich jemand gemeldet hätte, der sie vermisste. Die Frau, die Rapp herumführte, hatte dies insofern erstaunlich gefunden, als Shirley gut ausgebildet zu sein schien. Als Rapp wissen wollte, wie sie auf den Namen für die Hündin gekommen wären, sagte sie ihm, sie wären eine Liste von Namen durchgegangen, bis der Hund auf einen reagierte. »Es könnte auch Curly, Burley, Hurly oder sonst irgendetwas sein, das wie Shirley klingt – aber ich habe Shirley ausgesucht. Sie sieht wie eine Shirley aus.« Rapp widersprach ihr nicht; er fand Shirley ganz in Ordnung. Er fuhr noch bei einer Tierhandlung vorbei, um eine Leine, etwas Hundefutter und ein paar Leckerbissen für die Hündin zu kaufen.
Beim Linganore Drive bog er rechts ab und nahm dann die erste Abzweigung nach links zum Linganore Court. Rapp fuhr bis ans Ende der Straße, wendete und stellte den Wagen ab. Er nahm Shirley vom Rücksitz und ging zu dem Weg hinüber, der in den Scotts Run Nature Preserve führte. Der Naturpark erstreckte sich über mehrere Hektar Waldland am Ufer des Potomac entlang. Auf den Wanderwegen waren tagsüber und an den Wochenenden immer viele Besucher unterwegs, doch an einem Dienstagabend waren sie nahezu menschenleer. Rapp und Shirley verschwanden gemeinsam im Laufschritt in der Dunkelheit.
Irene Kennedy kam um 7.20 Uhr an. Sie hatte Langley um sechs Uhr verlassen und war noch kurz nach Hause gefahren, um Tommy Käsemakkaroni zu machen und selbst etwas Salat zu essen. Nachdem sie genau
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