Die Entscheidung
weil sie keine Kontrolle über uns haben.«
Rapp und seine neue vierbeinige Freundin brauchten acht Minuten, um das andere Ende des Naturparks zu erreichen. Danach dauerte es noch einmal ein paar Minuten, bis er das Haus gefunden hatte, nach dem er suchte. Rapp war schon in dem Haus gewesen – doch da war er mit dem Wagen hingefahren und hatte nicht zu Fuß durch den Wald hinfinden müssen. Stansfields Nachbar hatte in der hintersten Ecke seines Gartens einen kleinen Schuppen stehen, direkt an der Grenze zu Stansfields Garten. Rapp und Shirley gingen durch das hohe Gras und verbargen sich schließlich hinter dem Schuppen.
Rapp staunte immer wieder, dass hochrangige Vertreter amerikanischer Behörden zu Hause keinerlei Sicherheitsvorkehrungen trafen. Mit Ausnahme des Präsidenten, des Vizepräsidenten und ihrer Familien waren die vorhandenen Sicherheitsmaßnahmen der reinste Witz. Wenn bestimmte Amtsträger ins Ausland reisten, sah die Sache schon etwas anders aus, aber hier im eigenen Land hatten die Leute nur ihre Alarmanlage und einen Chauffeur, der gleichzeitig als Bodyguard fungierte. Er nahm an, dass Stansfield etwas besser abgesichert war, aber bestimmt nicht so, dass es ein unüberwindliches Hindernis dargestellt hätte.
Rapp zog einen kleinen Feldstecher aus der Jacke hervor und nahm die Fenster unter die Lupe. Im ersten Stock brannte nirgends Licht. Unten im Erdgeschoss sah er eine Frau in der Küche, die allem Anschein nach mit Abwaschen beschäftigt war. Rapp kam zu dem Schluss, dass es sich um eine Haushaltshilfe handeln musste. In der Zufahrt zum Haus stand ein Wagen einer Regierungsbehörde, in dem ein Mann auf dem Fahrersitz saß, der ihm irgendwie bekannt vorkam – doch die obere Hälfte seines Gesichts war durch die Schirmmütze verdeckt. Rapp schlich mit Shirley durch das hohe Gras die Grundstücksgrenze entlang. Dabei fiel ihm etwas Interessantes auf; neben einem Blumenbeet war eine Vorrichtung installiert, die Rapp bei näherem Hinsehen als Laser-Stolperdrähte erkannte. Er zog sein Nachtsichtgerät hervor und sah damit die roten Strahlen, die rund um das Grundstück verliefen. Rapp kam zu dem Schluss, dass diese Sicherheitsmaßnahme kein Problem für ihn darstellen würde.
Zusammen mit Shirley ging er an der Hinterseite des Grundstücks entlang, bis er die andere Seite des Hauses erkennen konnte. Rapp war sich ziemlich sicher, dass sich Stansfield in diesem Teil des Hauses aufhielt. Er musste unbedingt mit dem Mann sprechen. Er musste ganz einfach die Wahrheit herausfinden. Rapp hoffte für Thomas Stansfield, dass er ihm die eine oder andere Antwort auf seine Fragen geben konnte. Danach würde er zu Irene Kennedy gehen und sich ihre Version der Geschichte anhören. Er hatte lange überlegt, wie er vorgehen sollte – und er war zu dem Schluss gelangt, dass dies der beste und schnellste Weg war, um zu erfahren, was in Deutschland wirklich passiert war.
Als Rapp das andere Ende des Grundstücks erreichte, hob er erneut den Feldstecher an die Augen und sah Stansfield in seinem Arbeitszimmer sitzen. Er sah geschwächt aus, so als hätte er gut zehn Pfund abgenommen. Er sprach mit jemandem, doch Rapp konnte nicht erkennen, mit wem, und so ging er ein Stück weiter. Als er schließlich die Frau sah, die Stansfield gegenübersaß, fühlte sich seine Kehle mit einem Mal sehr trocken an. Rapp ließ den Feldstecher sinken und stand wie angewurzelt da. Seine Paranoia hatte neue Nahrung bekommen.
Während er zurück zum Schuppen schlich, klammerte er sich an die Hoffnung, dass keiner der beiden in die Sache verwickelt war – doch er hatte das bedrückende Gefühl, dass sie sehr wohl etwas damit zu tun hatten. Während Rapp sich darauf vorbereitete, ins Haus einzudringen, sah er plötzlich zwei Scheinwerfer auftauchen; ein Auto rollte die Zufahrt herauf. Rapp beschloss, zuerst einmal abzuwarten, und kniete sich neben Shirley ins Gras. Der kleine Hund hatte noch keinen Laut von sich gegeben, und Rapp hoffte, dass er sein gutes Benehmen beibehalten würde. Rapp beobachtete mit wachsendem Interesse, wie der Fahrer ausstieg. Als der Mann auf die Haustür zuging, wusste Rapp augenblicklich, wer er war. Rapps Puls begann zu rasen, während er fieberhaft überlegte, was es für einen Grund haben mochte, dass dieser Mann, mit dem er einst in seiner Vergangenheit zu tun hatte, heute Abend hierher kam. Der Mann war in gewisser Weise wie er selbst. Er war ein Killer, doch einer, so hatte er bisher
Weitere Kostenlose Bücher