Die Entscheidung
sind?«
Er sah sie einen Moment lang an. Dann antwortete er: »Ja.«
»Du bist ein verdammter Lügner!«
Er sah sie weiterhin nur an, seine Augen bodenlose
Gletscherteiche, die in unendliche Tiefen führten. Jenny wollte den Blick nicht abwenden. Sie spürte etwas Warmes in ihren offenen Augen, Tränen des Zorns, die nicht fließen wollten.
»Hast du das Slug und P. C. angetan?«, fragte sie wie eine hartnäckige Fernsehanwältin, bereit dazu, eine einzige Frage endlos zu wiederholen.
Mit leicht zurückgelegtem Kopf erwiderte er ihren Blick. Seine Augen waren wie blaues Eis, sein Gesicht war immer noch kalt, als er schließlich sagte: »Nein.«
Seine Stimme klang hart und gefährlich.
»Was ist mit ihnen passiert?« Jenny hörte, wie unnachgiebig und hart ihre eigene Stimme klang.
»Sie haben die Tür des Schranks geöffnet und mich herausgelassen. Aber als ich herauskam« – ein schwaches und sehr beunruhigendes Lächeln umspielte Julians Lippen – »sind sie weggerannt. Direkt in die Arme der anderen Schattenmänner.«
Jenny fühlte eine Spur von Erleichterung; ein Rätsel war gelöst. Sie war sich nicht einmal sicher, warum sie eigentlich nicht daran geglaubt hatte, dass Julian P. C. und Slug getötet haben könnte. Er war schließlich ein Schattenmann.
Aber trotzdem.
»Und sie haben das getan?«, fragte sie.
»Es war ihr Recht. Niemand kommt ohne Einladung hierher.«
»Und mein Großvater. Das waren auch sie.« Es war keine Frage.
»Vor langer Zeit. Ich hatte ihm keine große Beachtung geschenkt; ich hatte kein Interesse an ihm. Sie wollten mir nie erlauben, ihn anzufassen. Summer konnte ich am Leben erhalten, weil sie mir gehörte, weil sie meine Beute war, die ich selbst gefangen hatte. Und ich habe sie aus einem einzigen Grund am Leben erhalten, Jenny. Um sie gegen dich zu benutzen.« Seine Stimme war härter denn je, sein Gesicht wie eine Eisschnitzerei.
»Aber du hast es nicht getan«, sagte Jenny.
»Nein. Aber glaub bloß nicht, dass das etwas bedeutet. Das nächste Mal werde ich es tun.«
»Ich glaube dir nicht, Julian.«
»Dann machst du einen schweren Fehler.«
Da lag immer noch kein Hauch von Freundlichkeit in seinen mitternachtsblauen Augen, nichts, was Jenny ermutigt hätte. Ein Teil von ihr war auch vernünftig genug, um Angst zu haben, aber ein anderer wurde von Verwegenheit durchströmt.
Julian hat zwei Seiten, dachte sie und erinnerte sich an eine Zeile aus einem Buch, das sie einmal gelesen hatte – von Emily Brontë vielleicht. So verschieden wie ein Mondstrahl und ein Blitz.
Sie wollte den Mondstrahl erreichen, aber sie wusste nicht, wie.
Sehr leise wiederholte sie: »Ich glaube dir nicht. Du
bist nicht wie die anderen Schattenmänner. Du könntest dich ändern – wenn du wolltest.«
»Nein«, erwiderte er trostlos.
»Julian …« Es war seine Trostlosigkeit, die ihr unter die Haut ging. Sie konnte ihr Spiegelbild in seinen Augen sehen.
Ohne nachzudenken, trat sie noch näher. Und näher. Ihre Oberlippe berührte seine Unterlippe.
»Du kannst dich ändern«, flüsterte sie.
Der Kuss begann, noch bevor sie es wusste. Eine Süße, eine Wärme floss zwischen ihnen beiden hin und her.
Dann zog Julian sich zurück. Eine Haarlocke war ihm in die Augen gefallen, so weiß wie die Hartriegelblüten, die Jenny auf dem Weg nach Monessen gesehen hatte. Die Maske der eisigen Kontrolle war geschmolzen, aber an ihre Stelle war etwas Beängstigendes getreten. Als ob etwas in ihm zerbrochen wäre.
Vielleicht empfand er sogar das Gleiche wie Jenny bei ihrem letzten Kuss in der Höhle mit dem Feuer.
Doch sie war zu erregt, um darüber nachzugrübeln. Sie dachte nicht länger, sie fühlte nur – und sie fühlte sich heiß und siegreich. Wie eine Eroberin. »Du bist nicht böse. Du kannst dich ändern, du kannst sein, was immer du willst …«
Da blitzte etwas Hässliches in Julians Augen auf; Gefahr und Wildheit überwältigten das gebrochene Licht.
»Ich bin, was ich sein will«, sagte er. »Das hast du wohl vergessen – und das war dein Fehler.«
»Julian …«
Er war erregt, überreizt, seine Augen brannten. »Willst du sehen, was ich wirklich bin? Ich werde es dir zeigen, Jenny. Ich werde es dir beweisen. Und ich werde es genießen.«
Er wirbelte sie grob herum. Die Drehtür war wieder aufgetaucht, und direkt darüber das Neonschild mit der Aufschrift AUSGANG.
Er schob sie auf die Tür zu. »Geh nur, probier noch ein wenig mehr im Park aus. Finde heraus, was
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