Die Entscheidung
Handgelenke und Füße ebenso wie Zachs mit einem dicken Seil zusammengebunden waren. »Kein Problem«, erklärte sie und zog entschlossen das Schweizer Armeemesser hervor. Ich werde nie wieder ohne ein Messer irgendwohin gehen, dachte sie, dann hockte sie sich vor Toms Füße und begann vorsichtig, an dem Seil zu sägen.
»Hi, Dee«, sagte Tom gelassen, als begegnete er ihr an einem Samstag beim Football. »Hi, Audrey und Michael, hi, …« Er brach ab und schoss hoch, und Jenny – die sich mittlerweile seinen Handfesseln widmete – verpasste ihm prompt einen Schnitt.
»Setz dich wieder«, sagte sie.
Aber er schien sie gar nicht zu hören. »Summer?«
»Hi, Tom«, begrüßte Summer ihn schüchtern.
»Summer??«
»Sie war nicht tot, sie hat nur geschlafen«, erklärte Audrey.
»Setz dich, ja?«, wiederholte Jenny. »Später werden wir alles erklären.«
»Ja, sicher«, murmelte Tom schwach. Er setzte sich wieder. Jenny durchschnitt das Seil so weit, dass er die Hände herausziehen konnte. Während er seine Finger knetete, wandte sie sich Zach zu.
»Geht es euch beiden gut? Ich meine – ihr seid nicht verletzt oder so etwas?«
»Es geht uns gut«, antwortete Tom geistesabwesend.
»Er hat uns erst vor Kurzem hierher gebracht. Zuvor waren wir im Leuchtturm, aber es war nicht allzu schlimm – nur dass ich Angst hatte, dass du kommen würdest.«
»Du wusstest, dass ich kommen würde. Hoffe ich jedenfalls.«
»Ich habe gehofft, dass du es nicht tun würdest. Ich hatte Angst um dich.«
»Tom« – Jenny durchtrennte einen Teil von Zachs Fesseln –, »du brauchst dir um mich keine Sorgen zu machen.« Sie drehte sich zu ihm um und sah, dass er auf sie herabblickte, auf diese neue Art und Weise, die er sich seit Julians erstem Spiel angewöhnt hatte. Als sei sie etwas unendlich Kostbares, etwas, das ihn verwirrte, erstaunte – etwas, das er nicht verdiente, dem er jedoch bedingungslos vertraute.
»Natürlich muss ich mir um dich Sorgen machen, Thorny«, antwortete er schlicht. »Genauso wie du dich um mich sorgst.«
Jenny lächelte.
»Jetzt braucht sich niemand mehr Sorgen zu machen. Wir haben das Spiel gewonnen, Tom. Wir sind auf Schatzsuche gegangen – und haben euch gefunden. Es ist alles vorüber.«
»Ich wäre noch etwas glücklicher, wenn ich schon von hier weg wäre«, bemerkte er.
»Das gilt auch für mich«, sagte Zach, »und zwar doppelt und dreifach.«
Jenny schaute sich um. Dieser Ort konnte einem tatsächlich unheimlich sein – besonders wenn man gefesselt in einem Boot saß und jeden Moment mit Ärger rechnete. Unter dem Wandgemälde klafften echte Höhleneingänge auf, die zu anderen Teilen des Minigolfplatzes zu führen schienen. Und diese Höhlen waren sehr, sehr dunkel.
»Sagt bloß, ihr zwei hattet Angst vor dem Papagei«, bemerkte Michael. Jenny folgte seinem Blick zu einem Bereich neben dem Golfplatz, wo anscheinend gegessen werden sollte, da orangefarbene Plastiktische und Hocker auf den Boden montiert waren. Außerdem befand sich dort eine kleine Bühne mit dem Schild CAP’N BILL UND SEABASTIAN, DER WUNDERPAPAGEI, sowie ein angeschalteter Fernseher, der – zum Glück auf Stumm gestellt – alte Zeichentrickfilme mit Woody Woodpecker zeigte.
»Nein, wir hatten Angst vor den Augen«, sagte Tom und stieg aus dem Schlauchboot und über ein dickes Seil, das schlaff zwischen zwei Pollern am Kai hing.
Jenny riss den Kopf hoch. »Vor den Augen?«
»Ja, Augen, die im Schatten sitzen und dich anstarren. Und wir hatten Angst vor dem Flüstern.« Mit versteinerter Miene zerschnitt Jenny auch den Rest von Zachs Fesseln, und er massierte seine Hand- und Fußgelenke. Die anderen Schattenmänner waren also ganz in der Nähe.
Tom starrte auf Audreys Arm. »Was ist denn mit dir passiert?«
»Sei froh, dass du es nicht weißt. Glaub mir, es ist besser für dich.«
»Überhaupt seht ihr alle so aus, als hättet ihr volles Risiko gespielt – und verloren«, bemerkte Tom.
Er hat recht, dachte Jenny, während sie Zach aus dem Schlauchboot folgte. Die beiden Gefangenen sahen noch ziemlich gut aus, genau wie vor ein paar Tagen, als sie in Julians Feuer verschwanden. Vielleicht ein wenig zerknittert, die Kleider fleckig, aber ansonsten – ziemlich gut. Um Zachs Hals baumelte sogar noch seine Kleinbildkamera.
Die Retter dagegen waren blutverschmiert und ziemlich angeschlagen. Selbst Summer wirkte verletzt, wie eine Blume mit abgebrochenem Stiel. Audrey, normalerweise der
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