Die Entscheidung
oder?
„Das hier ist meine Nichte Mady“, erklärte Einar weiter und streckte George das Bündel entgegen, in dem offensichtlich ein Baby versteckt war. „Keine Angst. Sie hat noch keine Zähne. Du musst heute Nacht auf sie aufpassen.“
„Ich soll was?“, rief George und Einar fuhr nach vorne, um ihm den Mund zuzuhalten.
„Sei still, verdammt. Du bist Madys einzige Chance. Sie wurde bereits als Opfer gekennzeichnet. Der Dämon wird nach ihr suchen. Aber wenn sie bei dir ist, wird dein Geruch den ihren überlagern. Menschenblut riecht stark. Hast du mich verstanden?“
George kapierte zwar immer noch nicht, was das alles sollte, aber er nickte trotzdem, damit der Fremde ihn aus seiner Umklammerung ließ. Das Baby bewegte sich leicht zwischen ihnen und stieß einen gurrenden Laut aus. Einar ließ George sofort los und gab dem Baby einen Kuss auf die Stirn.
„Ich meine es ernst, Mann“, sagte er dann zu George. „Das Baby wird diese Nacht nur überleben, wenn du es beschützt und verhinderst, dass es schreit. Okay?“
„Warum sollte ich dir helfen?“, fragte George misstrauisch. „Deine Leute halten mich hier unten gefangen. Warum sollte es mich interessieren, was aus dem Kind wird?“
Einar betrachtete George einen Moment lang abschätzend und ließ dann seine weißen Vampirzähne aufblitzen.
„Nun. Wenn der Dämon mitkriegt, dass Mady hier unten ist, könnte es gut sein, dass er beschließt, dich auch noch zu töten. Und falls nicht, dann werde ich es morgen ganz definitiv tun. Und glaub mir – das wird dann ein langsamer und schmerzhafter Tod.“
George spürte, wie alle Farbe aus seinem Gesicht wich und sein Mund trocken wurde.
„Außerdem“, fügte Einar hinzu. „Du bist doch ein Mensch. Also verhalte dich gefälligst menschlich. Mein Dorf mag dir Schlimmes angetan haben und vielleicht auch in Zukunft noch antun. Aber Mady ist unschuldig. Und du willst doch wohl nicht für den Tod eines kleinen Babys verantwortlich sein, oder?“
„Nein. Ich … Nein.“
George senkte den Kopf und Einar streckte ihm abermals den Säugling entgegen. Dieses Mal hielt George das Bündel fest. Es war ein niedliches kleines Baby mit einem Blutschwamm in Form eines Halbmondes mitten auf dem Kopf. Es wirkte überhaupt nicht furchteinflößend oder gruselig.
„Ich muss wieder gehen“, sagte Einar. „Jeder, der draußen ist bei Vollmond, wird von dem Dämon getötet. Und ich habe keine Lust als Nachspeise zu enden. Wenn alles gut geht, hole ich Mady morgen wieder ab.“
„Warte“, rief George, als Einar Anstalten machte, wieder nach oben zu gehen. „Was soll ich tun, wenn sie schreit?“
Einar zog ein kleines Messer aus seiner Tasche und schleuderte es genau vor Georges Füße, wo es im Boden stecken blieb.
„Gib ihr von deinem Blut“, sagte er. „Aber tu mir einen Gefallen und schneide dir nicht die Pulsadern auf, okay? Johanna würde das ganz und gar nicht gutheißen. Sie hat noch irgendetwas mit dir vor.“
Viktoria beobachtete mit klopfendem Herzen, wie Einar aus dem Loch stieg und die Gitter wieder verriegelte. Es war ein Glück, dass sie den Schlüssel noch nicht an Johanna zurückgegeben hatte, nachdem sie bei dem Menschen gewesen war. Er war nun Madys letzte Hoffnung zu überleben, und gleichzeitig die einzige Chance dafür, dass Viktoria durch ihr Opfer nicht mehr Leben in Gefahr brachte, als sie rettete.
Aber sie konnte einfach nicht zusehen, wie der Dämon Swana das Kind wegnahm. Sie hatte sich einmal vor der Verantwortung gedrückt und das würde sie nicht noch einmal tun. Wäre dies eine gewöhnliche Vollmondnacht, dann wäre sie niemals auf die Idee gekommen, Madys Platz einzunehmen. Denn der Dämon würde beim nächsten Vollmond wieder nach ihr verlangen. Dann wäre Viktorias Opfer völlig umsonst gewesen. Heute Nacht war aber alles anders.
Es war nicht irgendeine Nacht des Dämons, sondern es war die letzte. Denn wenn Johanna sich nicht irrte, dann würde Darrek beim nächsten Vollmond anwesend sein. Und mit seiner Hilfe würde es ihnen gelingen, das Dorf endlich von diesem Fluch zu befreien. Deshalb würde Mady überleben. Genau wie Janish und alle Nachfahren, die sie in Zukunft noch bekommen würde. Sie hoffte nur, dass es nicht allzu sehr schmerzen würde, von dem Dämon getötet zu werden.
George ärgerte sich über sich selbst. Worauf hatte er sich da nur wieder eingelassen? Es war zwar nicht so, als hätte Einar ihm groß die Wahl gelassen. Aber George hatte trotzdem das
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