Die Entscheidung
„Es wird dich schon nicht umbringen.“
Darreks Mundwinkel zuckten.
„Davon bin ich überzeugt. Ohne mich seid ihr schließlich aufgeschmissen. Aber neugierig bin ich ja doch. Warum bringst du dem Dorf Blut? So viel Aufwand um diese Jahreszeit? Das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen.“
„Es ist nicht ungewöhnlich, dass einer von uns loszieht, um ab und zu echtes Menschenblut ins Dorf zu bringen“, kam Swana ihrem Bruder zu Hilfe.
Sie trug Mady auf dem Arm und hatte dem Baby eine der Konserven zum Nuckeln gegeben. Aber genau wie ihr Bruder rührte sie selber nichts davon an.
„Einar ist für diese Aufgabe prädestiniert, weil er das Gedächtnis der Menschen löschen kann. Das ist doch sehr viel besser als sie mit dem Wissen weiterleben zu lassen, dass sie überfallen wurden. Den Diebstahl werden sie wohl verkraften.“
Darrek nickte.
„Ich bewahre mir den für später auf“, sagte er dann und drehte sich weg.
Irgendetwas war an diesem Blut faul. Das spürte er. Und er war sehr gespannt, was die beiden Urenkel von Johanna wohl vorhatten.
Laney schielte auf ihre Armbanduhr. 23:45. Das Dorf war still und alle waren schlafen gegangen. Es war faszinierend, wie gut Einars Plan funktioniert hatte. Die Dorfbewohner hatten das Blut getrunken, ohne Verdacht zu schöpfen, und würden in den nächsten Stunden nicht einmal durch einen Wirbelsturm geweckt werden können.
Als es leise an der Tür klopfte, setzte Laneys Herzschlag einen Moment aus.
„Laney?“
Erleichtert atmete Laney aus. Es war nur Einar. Zu früh, aber egal. Hauptsache es war nicht Darrek, der an ihre Tür klopfte. Denn Darrek war nun wirklich der Letzte, der mitbekommen durfte, was sie vorhatten. Zuerst hatte Laney befürchtet, dass er das Blut nicht anrühren würde, aber dann hatte sie die leere Blutkonserve im Wohnzimmer gefunden, was ein eindeutiges Indiz dafür war, dass sein Blutdurst stärker gewesen war als sein Misstrauen.
Laney stand auf und öffnete leise die Tür.
„Alles in Ordnung?“, fragte Einar.
„Ja“, gab Laney zurück. „Schläft Mady?“
„Ja. Und Swana wird im Dorf bleiben, um alles im Blick zu behalten. Nur für den Fall, dass doch noch jemand wach sein sollte.“
Laney nickte.
„Sehr gut.“
Sie ging zu Georges Zimmer und griff nach dem Schlüssel. Doch Einar hielt ihre Hand fest.
„Bist du dir wirklich sicher, dass du das tun willst?“, hakte er noch einmal nach. „Das hier ist nichts, was wir vertuschen können. Und du wirst doch wieder mit hierher zurückkommen, oder?“
Erstaunt sah Laney ihn an. Natürlich würde sie zurückkommen. Dachte er ernsthaft, dass sie sich vor den Konsequenzen drücken würde und ihn und seine Schwester alleine dem Zorn des gesamten Dorfes auslieferte?
Obwohl der Gedanke jetzt zu verschwinden verlockend war. Sie musste nicht zu Darrek zurückkommen. Sie konnte von Reykjavik aus ein Flugzeug nehmen und morgen schon wieder in den USA sein. Aber dann würde Darrek ihr folgen und somit wäre das ganze Dorf dem Untergang geweiht.
„Ich werde mit zurückkommen“, versicherte Laney. „Ich habe Darrek versprochen, in seiner Nähe zu bleiben. Und dieses Versprechen werde ich auch halten.“
Einar nickte.
„Okay. Dann lass uns das jetzt durchziehen.“
Laney bewunderte Georges Ruhe. Obwohl er schrecklich nervös sein musste, verhielt er sich absolut vorbildlich. Er lief in gleichmäßigem Tempo und verließ sich vollkommen auf das Augenlicht seiner Begleiter. Ihm war klar, dass er ohne Einar und Laney keine zehn Meter weit kommen würde. Denn obwohl der Schnee seine Sicht eigentlich verbessern müsste, sorgte er doch gleichzeitig dafür, dass alles um ihn herum gleich aussah.
Als sie an den letzten Häusern vorbeikamen, lief ihnen Swana bereits entgegen. Sie hielt einen Finger über den Mund, um ihnen klarzumachen, dass sie still sein sollten.
„Eine der Wachen schläft noch nicht“, flüsterte Swana. „Ich werde zu ihm gehen und ihn ablenken. Keine Sorge. Er wird innerhalb kürzester Zeit vergessen, dass er eine Aufgabe hatte.“
„Wer ist es?“, fragte Einar, obwohl er bereits eine Vermutung hatte.
„Haldor.“ Sie grinste. „So bekomme ich zumindest auch noch ein wenig Spaß.“
George zuckte bei den Worten zusammen. Er hatte Swana in den letzten Wochen sehr lieb gewonnen und bedauerte sehr, dass sie sich nicht unter anderen Umständen kennengelernt hatten, oder zumindest derselben Rasse angehörten. Swana schien seinen Blick zu bemerken. Denn sie
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