Die Entscheidung
gewöhnlich“, widersprach Swana. „Ich weiß von anderen Wilden nur aus Erzählungen. Aber normalerweise sind die unbeherrscht und rein instinktgesteuert. Unser Dämon hingegen handelt niemals unbedacht. Er weiß genau, was er tut, und sucht sich seine Opfer explizit aus. So, als wäre ihm bewusst, dass er niemanden mehr zum Spielen hat, wenn er uns alle auf einmal tötet. Es gefällt ihm, sich verehren zu lassen. Das tun normale Wilde doch nicht, oder?“
„In Ordnung. Das ist wirklich nicht normal. Ich vermute, dass er früher einmal ein sehr intelligenter Mensch gewesen sein muss. Wer hat ihn eigentlich verwandelt?“
Swana zögerte.
„Das weißt du noch nicht?“, fragte sie nach, um Zeit zu gewinnen.
„Nein. Und ich verurteile auch niemanden dafür, dass es passiert ist. Als Kind habe ich selbst einen Menschen verwandelt, weil ich mich nicht im Griff hatte. Aber zu meinem Glück hat mein Vater sich ihrer angenommen und somit verhindert, dass sie zu einer Wilden wurde.“
„Nun. Bei uns war es kein Kind, sondern … meine Mutter.“
Laney hielt einen Moment in ihrer Inspektion inne und sah Swana überrascht an.
„Viktoria?“, fragte sie nach.
„Ja. Sie … sie dachte, sie hätte den Wanderer getötet. Aber sie hätte ihn niemals einfach zurücklassen dürfen. Das war dumm und unüberlegt von ihr. Und ihre Schuldgefühle haben sie aus dem Dorf fortgetrieben. Deswegen hat Einar sie auch so gehasst. Sie hat es zwar nicht mit Absicht getan, aber trotzdem ist sie an der Heimsuchung schuld, die uns seit über zwanzig Jahren plagt.“
„Oh Swana. Das ist ja schrecklich.“
„Ja. Das stimmt“, bestätigte Swana. „Vor allem, da man das alles hätte verhindern können, wenn wir nur verhindert hätten, dass der Dämon Menschenblut trinkt. Die Frau, die du verwandelt hast … Ist sie jetzt eine Dienerin?“
Laney lächelte und schüttelte den Kopf.
„Kathleen eine Dienerin? Nein. Sie … sie ist meine Stiefmutter.“
Swana bekam große Augen und die Verwunderung stand ihr ins Gesicht geschrieben.
„Es war die erste Verbindung dieser Art“, erklärte Laney weiter. „Aber mein Vater liebt sie über alles und die beiden sind ein wunderschönes Paar.“
„Und … Was hat deine Stiefmutter für eine Gabe? Wenn du sie verwandelt hast, dann muss sie doch eine Gabe haben.“
Laney schüttelte den Kopf.
„Sie hat keine Gabe. Es passiert doch nicht immer automatisch.“
Swana schnaubte, als hätte Laney etwas unglaublich Dummes gesagt.
„Laney. Ich mag selber nicht viel Erfahrung mit den Kaltblütern haben, aber Amma Johanna hat eine ganze Bibliothek voll mit Büchern über diese anderen Wesen. Außerdem hat sie mir viele Geschichten erzählt. Wenn ein Warmblüter mit einer Gabe einen Menschen verwandelt, dann hat dieser Mensch auch eine Gabe. Es muss ja nichts Besonderes sein. Vielleicht kann sie nur schnell laufen oder hart zuschlagen. Aber dein Gift muss bei ihr eine Auswirkung gehabt haben. Davon bin ich überzeugt.“
„Aber … Das ist Unsinn. Kathleen ist schon seit mehr als fünfzehn Jahren eine Kaltblüterin. Da hätte es doch wirklich jemandem auffallen müssen, wenn sie eine Gabe hätte.“
„Nicht, wenn es etwa ist, was bisher noch keiner konnte.“ Sie zwinkerte Laney zu und zog sie dann wieder Richtung Dorf. „Möglicherweise hat deine Kathleen einfach eine ganz spezielle Gabe und weiß es deswegen selber noch nicht. Aber keine Sorge. Irgendwann wird sich schon noch herausstellen, was sie kann.“
Kapitel 25
Ein riskanter Plan
„Menschenblut für alle!“
Die Dorfbewohner stießen sofort begeisterte Pfiffe und Jubelschreie aus, als Einar mit zwei ganzen Taschen voller Blutkonserven auftauchte.
„Hast du ein Krankenhaus überfallen?“, fragte Darrek misstrauisch.
Er hatte gewusst, dass Einar in den letzten Tagen fort gewesen war. Aber er hatte keine Ahnung gehabt, dass der junge Mann Blutnachschub holen würde. Vor allem erkannte er den Sinn darin nicht. Immerhin hatten sie doch eine lebendige Blutkonserve vor Ort.
„Ist es ein Überfall, wenn die Schwestern sich nicht mehr daran erinnern, dass ich da war?“, stellte Einar die Gegenfrage und reichte Darrek einen kleinen Beutel.
Er beäugte ihn misstrauisch und sah dann zu, wie die anderen Dorfbewohner sich großzügig an dem Vorrat bedienten. Bei dreihundert Dorfbewohnern waren die Taschen schnell leer. Aber es würde für alle reichen. Einar hatte das genau abgezählt.
„Trink ruhig“, forderte Einar ihn auf.
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