Die Erben der alten Zeit - Das Amulett (Die Erben der alten Zeit - Trilogie) (German Edition)
Plötzlich erinnerte sie sich, dass sie Lodur mit Frau und zwei Söhnen auf dem Markt von Bragesholm gesehen hatte.
»Das warst du, nicht wahr? In Bragesholm, in der Kutsche mit den acht Einhörnern!«, rief sie aufgeregt. »Du hast mir so intensiv nachgesehen!« Biarns Blick schweifte in die Ferne.
»Das ist viele Jahre her. Für mich. Für dich natürlich nicht. Aber, ja, das war ich.« Er zögerte.
»Mein Bruder heißt Heimdall. Er ist nicht wie ich, Charlie. Er hat große Ambitionen. Er zählt als hoffnungsvoller Nachfolger für den Posten meines Vaters. Aber im Gegensatz zu Vater, steht er ganz und gar in Odens Macht...«, fügte Biarn leise hinzu.
»Du musst dich jetzt ausruhen, Charlie. Wenn ich noch länger bleibe, reißt mir Bil den Kopf ab. Sie hat s ich selbst zu deiner Schutzelfe erklärt und deine Pflege ruhte fest in ihren eisernen Händen.« Er lächelte und sah der rundli chen, schrumpeligen Schwarzelfe entgegen, die soeben um die Ecke gewackelt kam, gerade Mal fünf Zentimeter groß. Charlie versuchte sich vorzustellen, wie so jemand einem Bild von Mann, wie Biarn es war, den Kopf abreißen würde.
Dieses Gespräch hatte vor drei Tagen stattgefunden. Mittlerweile konnte Charlie von einem dicken Stock gestützt durch das Schwarzelfenlager schleichen. Sie war noch sehr schwach, aber so langsam bekam sie wieder Gewalt über die vielen Muskeln in ihrem Körper. Bald würde sie wieder auf die Beine kommen.
Im Lager wimmelte es nur so vor kleinen, schrumpeligen Schwarzelfen. Es war später Abend und überall erleuchteten münzengroße Feuerstellen den Waldboden. Drumherum saßen und standen Schwarzelfen in allen Formen und Farben, mit oder ohne Bart, dick oder dünn, lang oder kurz, allerdings niemals größer als etwa zehn Zentimeter. Sie hörten auf Namen wie Lit, Fjalar, Berling, Grer, Hjuke, Finn, Allvis und Torin und waren allesamt sehr fröhliche Gesellen. Sie genossen das Leben mit einer Leichtigkeit, die Charlie seit ihrer Zeit bei Per und Lena nicht mehr erlebt hatte, und sie schienen alle Zeit der Welt zu haben.
Als Charlie langsam durch das Lager humpelte, erkannte sie, dass all die kleinen Feuerstellen direkt vor Öffnungen unter Bäumen brannten. Ab und an verschwand ein Elf zwischen den Wurzeln der Wichtelfichten, um dann mit einer Decke, etwas zu essen oder ähnlichem zurückzukehren. An einem Feuer, das für diese Wesen wie ein Waldbrand aussehen musste, saßen Biarn, Tora und Kunar versammelt. Als Charlie näher kam, sah sie, dass sich auch einige Schwarzelfen zu ihnen gesellt hatten. Darunter Bil und Bivor, die laut Tora ein Ehepaar waren.
»Wohnen die in den Bäumen?«, fragte Charlie ungläubig, als sie sich mühsam neben Tora und Kunar niederließ. Tora lachte.
»Sie wohnen unter den Baumwurzeln. Schwarzelfen sind Erdbewohner. Sie kommen meistens nur nachts an die Oberfläche. Sie haben enorme unterirdische Gangsysteme und können sich so gegenseitig besuchen, ohne an die Oberfläche zu kommen.« Charlie schaute sich fasziniert um. Das hätte sie sich zu gerne einmal näher angesehen, aber ein Riese wie sie passte natürlich nicht unter eine Baumwurzel.
Plötzlich stieß etwas direkt über ihr einen hohen Schrei aus, flatterte rasch an ihr vorbei und landete Kopf über an Biarns ausgestrecktem Finger! Mit offenem Mund starrte Charlie direkt in die schwarz glänzenden Augen einer Fledermaus. Auf dessen Rücken saß ein Schwarzelf, der sich nun von seinem Reittier schwang und auf Biarns Hand landete.
»Guten Abend, Dvalin!«, sagte Biarn überrascht. »Wie schön dich wiederzusehen!« Der Schwarzelf namens Dvalin verbeugte sich kurz und lachte Biarn entgegen.
»Gleichfalls!«, rief der Elf fröhlich und tätschelte die Fledermaus. »Ich habe von Ivalde gehört, das Tor sich im Schutze unseres Volkes befindet. Leider hatte ich noch einiges zu tun, somit konnte ich erst jetzt den Weg hierher suchen.« Biarn lachte hell auf.
»Ich fühle mich sehr geehrt, Dvalin, dass du extra wegen mir den weiten Weg auf dich genommen hast.« Dvalin winkte lachend ab und stieß einen hellen Laut aus. Die Fledermaus ließ sich von Biarns Finger fallen und flatterte hoch in einen der nächstgelegenen Bäume, wo sie sich kopfüber in einen Ast hängte und den Kopf unter den lederartigen Flügel steckte.
»Modin brauchte Bewegung«, sagte Dvalin und sah zu seinem kopfüberhängenden Reittier hoch. Biarn lachte.
»So wird es sein! Setzt dich zu uns, mein Freund«, sagte Biarn, worauf Dvalin
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