Die Erben der Nacht 04 Dracas
und schlug vor, er solle sie begleiten.
»Es wird eine spannende Sache. Unser ungarischer Freund will mir Vlads Geburtshaus in Schäßburg zeigen und mich bis zur Festung Poienari führen, wenn die Schneeverhältnisse es zulassen. Wäre das nichts für Sie?«
Latona spürte das altbekannte Kribbeln. »Oh ja, Bram, lassen Sie uns nach Transsilvanien reisen. Eine großartige Idee. Dort finden wir bestimmt Antworten auf die vielen Fragen, die Sie noch quälen. Danach können Sie dann mit Ihrem Buch beginnen, das Sie schon so lange schreiben wollen.«
Latona konnte den Kampf in seiner Miene ablesen. Es reizte ihn wie kaum etwas anderes, doch er ahnte auch die Gefahr, die es mit sich bringen würde, sich auf die Spuren des mächtigsten aller Vampire zu begeben. Und sei es auch nur, um das Mysterium um ihn zu klären. Bram wandte sich ihr zu und schüttelte in tiefem Bedauern den Kopf.
»Nein, so eine Reise ist nichts für ein junges Mädchen. Das kann ich nicht verantworten.«
Latona schnaubte. War er sich eigentlich darüber im Klaren, was für Reisen sie mit ihrem Onkel Carmelo unternommen hatte? Und nicht nur, um Vampire zu studieren! Doch sie sagte nichts. Sie wusste, dass dies Bram nicht von seiner Entscheidung abbringen würde. Er würde nur argumentieren, dass die Reisen ihres Onkels sie mehrmals in tödliche Gefahr gebracht und ihn schließlich das Leben gekostet hatten. Und damit lag er ja auch richtig. Nein, genau das wollte er ändern und von nun an auf Latona aufpassen. Sie unterdrückte ein Seufzen. Wusste er nicht, wie herrlich ein wenig Gefahr zuweilen schmeckte?
Die alte Baronin mischte sich ein. »Lassen Sie Latona doch hier, Mr Stoker. Wenn Sie mit den Herren reisen möchten, dann ist das kein Argument, das Sie abhalten sollte. Latona ist hier herzlich willkommen und kann gerne bleiben, solange Sie in Ungarn unterwegs sind. Sie können sich darauf verlassen, dass sie gut bei uns aufgehoben ist.«
»Oh ja, das ist ein wundervoller Einfall!«, rief Philipp und strahlte. Vermutlich wäre er am liebsten aufgesprungen und hätte seine Großmutter geküsst. Und auch die beiden Professoren nahmen den Vorschlag erfreut auf.
»Dieses Angebot sollten Sie nicht ausschlagen!«, meinte van Helsing.
Bram sah Latona durchdringend an, ehe er sich an die Hausherrin
wandte. »Sehr freundlich von Ihnen, Baronin von Schey. Wir danken Ihnen. Ich werde es mit Latona besprechen und Ihnen Bescheid geben.«
Latona wusste, was in ihm vorging. Einerseits wollte er nur zu gern auf dieses Angebot eingehen, anderseits fragte er sich, was sie anstellen würde, wenn er sie so lange alleine ließ. Ja, wenn sie sich überhaupt einverstanden erklärte, bei den Scheys zu bleiben. Er wusste, wie störrisch sie sein konnte. Latona überlegte. Es taten sich durchaus Möglichkeiten auf, wenn sie eine Weile Brams wachsamem Blick entginge. Doch dann musste sie ihn überzeugen, dass er sie bedenkenlos allein lassen konnte. Ob sie ihn ein wenig einwickeln sollte? Den Wachhund auf eine falsche Fährte locken? Schaden konnte es nicht. Sie warf Philipp einen schmelzenden Blick zu, wobei sie darauf achtete, dass Bram dies auch mitbekam.
»Oh ja, das wäre wundervoll. Jetzt, wo die Ballsaison beginnt, von der du mir so vorgeschwärmt hast! Die würde ich zu gern miterleben.«
Sie lächelte ihn so lange an, bis sie meinte, Philipp würde es gleich schwindelig werden, und sich auf Brams Miene erst Erstaunen und dann Erleichterung breitmachte. Er hatte den Köder geschluckt.
Die Erben erwachten und ließen sich für ihren gemeinsamen Besuch des Ringstraßentheaters ankleiden. Hoffmanns Erzählungen wurde heute zum zweiten Mal gegeben.
»Schade, dass wir nicht gestern zur Premiere gegangen sind«, meinte Alisa mit einem Blick in die Zeitung. »Es muss ein großartiger Abend gewesen sein.« Die nicht zu übersehende Schlagzeile, die vom rätselhaften Verschwinden einer Tochter von Freiherr von Todesco kündete, schlug sie schnell wieder zu. Diesen Artikel würde sie später in Ruhe lesen. Vor allem, wie es um die Ermittlungen der Kriminalpolizei stand und was für Schlüsse sie zogen. Hielten sie es für einen Mord und suchten sie nach Clarissas Leiche? Oder gingen sie davon aus, das Mädchen habe sich aus eigenem Willen davongemacht.
»Eine Premiere ist sicher etwas Schönes, aber ich bin mir sicher, der heutige Abend steht dem in keiner Weise nach«, erwiderte Ivy mit einem Lächeln.
Ich finde es nicht gut, dass du mit ins Theater
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