Die Erben der Nacht 04 Dracas
Vampire der Länder zu herrschen!«
Tonka konnte aus dem Gemurmel Zorn, aber auch Zustimmung für ihre Worte hören. Sie richtete ihren Blick weiter auf den Woiwoden. Alleine an seiner Meinung und seiner Entscheidung hing ihr Schicksal und vermutlich auch das ihrer Begleiter. Es wurde meist nicht so genau gefragt, wen Schuld traf. Ob sie überhaupt etwas hätten ändern können. Die Upiry waren wild und unbeherrscht. Waren sie erst einmal gereizt, ließen sie sich in ihrer Zerstörungswut nicht von langen Überlegungen auf halten, selbst wenn es sich um Mitglieder des eigenen Clans handelte.
Endlich hob der Woiwode die Hand, um seine Entscheidung zu verkünden.
»Es ist gut, dass du zurückgekehrt bist, um uns so schnell wie möglich von dieser Gefahr zu berichten. Noch ist der zerstörerische Sturm fern und lässt uns Zeit, zu handeln. Wir werden Dracula die Stirn bieten. Lange ist es her, dass wir uns von ihm losgesagt haben, um unseren eigenen Weg zu gehen. Er wird erfahren, dass wir seinen Plan nicht dulden. Entweder gibt er uns die Lycana freiwillig heraus, damit wir sie vernichten können, oder wir werden uns dieses Mal nicht scheuen, gegen unseren eigenen Stammvater vorzugehen. Mit allen Konsequenzen! Er hat die Wahl.«
Erst war nur ein Flüstern zu hören, dann schwollen die Stimmen an. Der Woiwode ließ sie gewähren. Er trat zu Tonka und fragte sie leise:
»Ist er schon zurück? Kann er Poienari bereits erreicht haben?«
Tonka zögerte nicht. »Nein, das ist unmöglich. Trotz seines Verbots
habe ich zwei der Raben zurückgelassen, ihn zu beobachten. Einer kam heute Nacht zu mir, noch ehe Ihr hier eingetroffen seid. Dracula kann sich auf dieser Reise nicht wandeln, da er die Lycana nicht ebenso dazu zwingen kann. Also ist er auf die Landstraße, die Schienen oder die Donau angewiesen. Er hat den schnellsten Weg gewählt und reist mit seiner Kutsche in einem Eisenbahnwagen. Dennoch kommt er nicht vor morgen in Braşov an. Von dort braucht er dann mit der Kutsche noch einmal eine Nacht. Vielleicht sogar zwei. Den direkten Weg über den Pass am Negoiu kann er nicht nehmen. Der ist verschneit.«
Der Woiwode nickte. »Gut, dann haben wir genügend Zeit, alle Upiry zusammenzurufen. Und dann ziehen wir gemeinsam nach Poienari.«
»Auf nach Poienari!« rief einer der Bojaren und all die Vampire auf dem Friedhof von Schäßburg - reine wie unreine - fielen begeistert ein.
DIE KIRCHENBURG VON HOSMAN
Die Fledermäuse erwachten und sammelten sich zum Flug. Es wurde Zeit, sich wieder zu wandeln. Ein wenig erstaunt stellte Alisa fest, wie leicht ihr das inzwischen fiel. Wie selbstverständlich es ihnen geworden war, eine andere Gestalt anzunehmen. Sie mussten ihre Kräfte nicht mehr verbinden und nicht mehr zittern, dass die Wandlung schiefgehen könnte. Selbst Luciano hatte keine Probleme mehr damit.
Die drei Vampire schlossen sich den Abendseglern an, die in ein Tal hinabflogen, das im Gegensatz zu den Berggipfeln noch frei von Schnee war. Dort begannen sie, sich zu zerstreuen.
Was machen die denn jetzt?, beschwerte sich Luciano. Warum fliegen sie nicht weiter? Die Zeit drängt!
Ungeduldig sahen sie den Jagdversuchen der Fledermäuse zu.
Zum Glück gaben die Abendsegler ihre Versuche bald auf und sammelten sich wieder zu einem Schwarm. Die Reise ging weiter. Mitternacht kam und verstrich. Sie flogen über eine hügelige Landschaft mit Wäldern, Wiesen und Feldern im Wechsel und immer wieder über Dörfer, deren Häuser und Scheunen sich um eine zur Burg befestigte Kirche scharten. Die Kirchtürme waren rechteckig, ihre Zeltdächer mit roten Ziegeln gedeckt, und sie wirkten eher trutzig und gedrungen als luftig und himmelwärts strebend wie so viele Kirchen, die die Vampire inzwischen kannten. Manche der Kirchenburgen wurden gar von mehreren Mauerringen mit Wehrgang und Türmen umschlossen.
Die Abendsegler wandten sich nun immer mehr nach Süden. Sie überflogen eine größere befestigte Stadt, deren prächtige Häuser und weiten Plätze fast ein wenig Wiener Flair ausstrahlten. Dann ahnten sie wieder Felder und kleine, von frischem Schnee bedeckte Dörfer unter sich, die von den Schatten der Nacht gleich wieder verschluckt wurden. Alisa bemerkte, dass im Schwarm eine zunehmende Unruhe auf kam, die sie in den beiden Nächten zuvor nicht wahrgenommen hatte.
Was sie wohl haben? Ich weiß nicht warum, aber diese Stimmung beunruhigt mich.
Dann sollten wir der Sache auf den Grund gehen, ehe wir auf
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