Die Erben der Nacht 04 Dracas
wieder von verheerenden Bränden heimgesucht.«
Die Kirchturmuhr schlug. Bram blieb unvermittelt stehen und hob die Hand. »Still!«
Der Professor unterbrach seinen Vortrag. »Was ist?«, erkundigte er sich verstört. »Meinen Sie die Glocken?«
»Nein. Hören Sie das nicht?«, gab Bram mit gedämpfter Stimme zurück.
Die beiden Männer lauschten in die Nacht. Hier unter den hohen Bäumen des Friedhofs war es inzwischen fast völlig dunkel. Nur vereinzelt drang Mondlicht durch die Zweige. Sie konnten den Wind hören, der in den Wipfeln rauschte, und ein Rascheln, das vielleicht von einer Maus herrührte, doch dann war da noch etwas anderes, das ihnen die Nackenhaare in die Höhe trieb. Ein Kratzen und Schaben von Stein auf Stein.
Der Blick der Männer huschte umher, bis Bram den Professor am Ärmel packte. »Sehen Sie dort hinten«, wisperte er heiser. Zwischen Faszination und Grauen schwankend, sah er zu, wie sich ein ganzes Stück entfernt eine Grabplatte bewegte, wie sich erst Finger, dann eine Hand und ein ganzer Arm tastend aus der Lücke schoben, ehe die Platte mit einem energischen Ruck gänzlich zur Seite gestoßen wurde. »Vampire«, flüsterte der Professor entsetzt. »Schnell, weg hier. Mit den Blutsaugern Transsilvaniens ist nicht zu spaßen.«
Er hastete vor Bram die mit modrigen Balken befestigten Stufen hinauf, rutschte auf halber Höhe aus und fiel auf sein Knie. Der Professor stöhnte vor Schmerz. Bram versuchte, ihn auf die Füße zu ziehen und warf gleichzeitig einen Blick über die Schulter. Während sich die zerlumpte Gestalt aus ihrem Grab erhob, begannen sich an anderen Stellen noch mehr Gräber zu öffnen.
Vámbéry war nicht in der Lage, alleine zu stehen oder gar zu laufen,
das Knie knickte unter der Belastung weg. Sein unterdrückter Aufschrei blieb nicht unbemerkt. Die Augen des Vampirs richteten sich auf die beiden Männer und Blutdurst glomm in seinen roten Augen.
»Rasch!«, drängte Bram in Panik. Er schob dem Professor den Arm unter der Achsel durch und zerrte ihn die letzten Stufen hinauf, während die Blutsauger die Verfolgung aufnahmen.
Hatten die Vampire eben, als sie unbeholfen aus ihren Gräbern krochen, vielleicht noch schwerfällig ausgesehen, so wurden Bram und der Professor nun eines Besseren belehrt. Mit unglaublicher Geschwindigkeit näherten sich die Blutsauger.
»In die Kirche«, stöhnte der Professor und humpelte mit zusammengebissenen Zähnen neben seinem Reisebegleiter her. »Dort hinein können sie uns nicht folgen.«
Es waren nur noch wenige Schritte bis zur Kirchentüre. Bram konnte nur hoffen, dass Vámbéry recht behielt, denn der Tod war ihnen dicht auf den Fersen. Ein hässlicher, grausamer Tod - diese Gestalten hatten nichts mit den Vampiren gemein, die er in Irland und Paris kennengelernt hatte.
Der Aasgeruch aus ihren aufgerissenen Mündern wehte Bram in die Nase und er glaubte, ihre Krallen bereits im Rücken spüren zu können, als er das Portal aufriss und - den Professor mit sich ziehend - über die Schwelle hechtete. Nun würde sich zeigen, wie gut sich Vámbéry mit seinen transsilvanischen Vampiren auskannte.
Mit in Todesangst verkrampftem Herzen wandte sich Bram um. Da standen sie mit ihren hässlichen Fratzen, kaum drei Schritte von ihnen entfernt, und starrten mit gierigen Blicken in die Kirche. Bram konnte sie geifern sehen und hörte das Schnappen ihrer Kiefer, die langen Reißzähne gebleckt. Doch es war ihnen nicht möglich, die Schwelle der Kirche zu überschreiten.
Nur langsam entspannte Bram sich etwas. Er rappelte sich auf und half dem Professor beim Aufstehen. »Was bin ich erleichtert, dass Ihre Studien recht behalten«, gab er mit einer Grimasse zu. Ármin Vámbéry lächelte schief. »Ich auch, mein Bester, ich auch. Sonst wären wir inzwischen bereits tot und unser schönes Blut würde diese Monster nähren.«
Die beiden Männer zogen sich weiter in den Kirchenraum zurück. Auch wenn die Krallenhände sie nicht erreichen konnten, so war es doch ein ungutes Gefühl, den blutdürstigen Vampiren so nahe zu sein, die nur darauf warteten, dass sie die Kirche wieder verließen.
Ármin Vámbéry ließ sich schwer atmend auf die vorderste Kirchenbank fallen. »Ja, ich bin erleichtert, dass ich noch immer recht habe. Mir kamen in Budapest Zweifel, ob sie sich nicht etwa weiterentwickelt haben.«
Bram schauderte es noch einmal. »Die Aussicht, morgen Nacht einer der ihren und als lebende Leiche auf das Blut anderer aus zu
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