Die Erben der Nacht 04 Dracas
konzentrieren und die Richtung genau bestimmen, denn lange werden wir ihn bestimmt nicht mehr sehen können.
Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, da peitschte eine neue Sturmböe den nächsten Schneeschauer vor sich her. Die Flocken wirbelten so dicht, dass selbst die Wölfe kaum ein paar Schritte weit sehen konnten. Aber sie hatten sich die Himmelsrichtung ihres Ziels bereits so genau eingeprägt, dass sie der Linie nun auch blind folgen konnten.
Das haben uns die Pyras beigebracht, dachte Alisa dankbar. Unsere Zeit in Paris war alles andere als verschwendet. Auch die Pyras haben Eigenschaften entwickelt, die uns Vampiren eine wertvolle Hilfe sind und uns stärken.
Schon gut, fiel Franz Leopold in ihre Gedanken. Ich gebe zu, das ist jetzt hilfreich, aber so toll sind die Pyras auch wieder nicht! Da haben andere Größeres geleistet.
Du meinst, wie die Nosferas, die es uns ermöglichen, tagsüber in Kirchen Zuflucht zu suchen, oder die Lycana, die uns gelehrt haben, in der Gestalt von Fledermäusen und Wölfen zu reisen? Alisa feixte. Sie wusste genau, was Franz Leopold durch den Kopf ging und so wunderte es sie nicht, dass seine Antwort ein wenig verschnupft klang.
Ach, du dachtest eher an die Dracas?, mischte sich nun Luciano ein und es hörte sich fast ein wenig an, als würde der Wolf lachen. Ja, das dürfen wir natürlich nicht übersehen. Was haben wir da nicht alles gelernt, das uns hier auf unserem Weg entscheidend voranbringt! Zum Beispiel Walzer tanzen. Alisa, darf ich bitten? Vielleicht sollten wir zum Pass hochtanzen. Ob das schneller geht? Einen Versuch wäre es wert.
Blödsinn!, fauchte Franz Leopold. Ihr wisst genau, was ich meine.
Die großen geistigen Fähigkeiten, die die Dracas nicht mit den Erben anderer Clans teilen wollen?, hieb Luciano weiter in die Kerbe.
Franz Leopold seufzte. Ja, das war nicht korrekt, ich gebe es zu. Wir wurden bei allen Clans fair behandelt und nach bestem Wissen unterrichtet. Das hätten der Baron und die Baronesse ebenso halten müssen. Sie haben den Vertrag mit den anderen Clans unterzeichnet. Da gebietet es die Ehre, sich auch daran zu halten.
He, Leo, schon gut. So viele Entschuldigungen auf einmal schaden deiner Überheblichkeit.
Der schwarze Wolf schnappte nach den Hinterbeinen des grauen, doch Alisa spürte, dass es nur ein freundschaftliches Geplänkel der beiden war.
Wenn wir zurück sind, werde ich dafür sorgen, dass alle Erben darin unterrichtet werden, Gedanken und Gefühle zu lesen und zu beeinflussen, schwor der Dracas.
Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. In der Ferne konnten sie ab und zu die fremden Wölfe heulen hören, doch es kam keiner in ihre Nähe. Inzwischen stieg das Tal so steil an, dass sie langsamer laufen und achtgeben mussten, nicht auszurutschen oder in einer Mulde tiefen Schnees zu versinken. Immer wieder kreuzten sie die Straße, die sich dem Felseinschnitt entgegenwand. Es musste bereits mehr als drei Stunden nach Mitternacht sein, als sie die Passhöhe endlich überschritten. Der Wind war eisig und so stark, dass sie den Schutz eines Felsen aufsuchten, um kurz innezuhalten. Wie weit war es noch bis Poienari? Würden sie die Festung vor Sonnenaufgang erreichen?
Sicher nicht, wenn wir hier noch länger rumstehen, drängte Luciano und setzte den Weg mit großen Sprüngen fort. Kommt weiter, von nun an geht es nur noch bergab!
Ja, und zwar schneller, als es uns lieb sein kann, wenn wir nicht aufpassen, mahnte Alisa. Wir dürfen nicht ins Rutschen kommen. Wer weiß, was für Felsspalten unter dem Schnee lauern. Wir sollten lieber ein wenig vorsichtig sein!
Maulend gehorchte Luciano. Da sich der weite Abhang unten zu einem Tal verengte, auf das die Straße zuzuhalten schien, verzichteten die Vampire wieder darauf, den weiten Serpentinen zu folgen, und hielten sich stattdessen an einen kleinen Bachlauf. Hier auf der Südseite flaute der Sturmwind ab, sobald sie die nackten
Felsen hinter sich gelassen hatten. Auch die Schneeschicht wurde zusehends dünner. Es zeichneten sich wieder Büsche unter dem Weiß ab und bald tauchten sie in dichte Wälder ein.
Dann endlich hörte es auf zu schneien. Die letzten Flocken schwebten herab. Auf einer dünnen, harschen Schneeschicht folgten die drei Wölfe nun der Straße an dem zu einem kleinen Flüsschen angeschwollenen Bach entlang, der sich tief in den Fels gefressen und sein Tal zu einer Schlucht ausgehöhlt hatte. Nur ein Streifen Himmel war noch zu sehen. Die
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