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Die Erben der Nacht 04 Dracas

Die Erben der Nacht 04 Dracas

Titel: Die Erben der Nacht 04 Dracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schweikert Ulrike
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fällst.
    »Er hat noch nicht versucht, sich uns zu nähern«, gab Ivy trotzig zurück. »Vielleicht kommt er gar nicht nach Wien.«
    Glaubst du? Nein, für so naiv halte ich dich nicht. Du weißt es besser. Er wartet auf die richtige Gelegenheit.
    »Hier im Palais kann er mir nichts anhaben und ich werde mir nicht die Blöße geben, alleine durch Wien zu spazieren.«
    Du benutzt deine Freunde als Schild? Und wenn er die Geduld verliert? Wenn er merkt, dass er nicht anders an dich herankommt? Deine Freunde sind ihm gleichgültig! Was, wenn er dich holen kommt und alles vernichtet, was ihm dabei im Weg steht?
    Ivy atmete tief ein und wieder aus, sagte aber nichts.
    Willst du das auf dein Gewissen laden?, bohrte der Wolf weiter.
    »Nein, natürlich nicht. Aber wir wissen doch noch gar nicht, was der Meister wirklich will. Bisher ist alles nur Spekulation.«
    Ach, und bis du Gewissheit hast, willst du hierbleiben und deine Freunde in Gefahr bringen?
    »Was verlangst du? Dass ich sie ohne ein Wort für immer verlasse und fortgehe? Das ist genau die Gelegenheit, auf die der Schatten hofft. Ohne meine Freunde wäre ich ihm schutzlos ausgeliefert.«
    Du willst es nicht begreifen, nicht wahr? Du musst dich von Tara holen lassen, ehe es zu spät ist! Ehe der Baron dein Geheimnis erfährt und dich
auf die Straße jagt. Ivy, handle jetzt, da du noch nicht mit dem Rücken zur Wand stehst und selbst entscheiden kannst. Sei vernünftig! Man könnte meinen, du bist noch das dreizehnjährige Mädchen, dem du äußerlich gleichst.
    »Vierzehn, ich habe meinen vierzehnten Geburtstag noch als Mensch begangen!«
    Ivy schloss gequält die Augen. Das Brennen hinter ihren Lidern erinnerte sie an die Tränen, die sie als Kind manches Mal vergossen hatte.
    »Ach, Seymour. Es waren lange einhundert Jahre und trotz deiner Begleitung und deiner unerschütterlichen Treue oft sehr einsame. Ich durfte in dieser langen Zeit nicht erfahren, wie es ist, solche Freunde zu haben. Es ist eine Wärme, die uns die Eiseskälte unseres eigenen Blutes vergessen lässt. Ich kann mich noch erinnern, wie berauschend die Gefühle von Glück, Liebe und Freundschaft waren, als noch ein menschliches Herz in meiner Brust schlug. Wie lange musste ich all das vermissen?«
    Und wie scharf der Schmerz zurückgewiesener Liebe schneidet? Muss ich dich daran erinnern, dass der Dracas deine Gefühle mit Füßen getreten hat?
    »Nein, das musst du nicht. Ich kann mich durchaus daran erinnern«, gab Ivy scharf zurück. Dann wurde ihre Stimme wieder voller Sehnsucht.
    »Ja, ich habe geliebt und gelitten. Doch ist es besser, beides zu erfahren, als kalt wie eine Leiche sein Dasein zu fristen. Ich kann meine Freunde nicht verlassen. Mir ist, als besäße ich noch immer ein schlagendes Herz, das dann in Stücke bräche.«
    Ihr Körper wurde wie von Schluchzen geschüttelt. »Wenn ich sie jetzt verlasse, dann gibt es kein Zurück und ich werde meine Freunde vermutlich niemals wiedersehen. Dann muss ich wieder jahrein jahraus durch die einsamen Moore Irlands ziehen, nur meine Erinnerungen als Begleiter, die von so wenigen Wochen erzählen, in denen ich glücklich sein durfte und mich lebendig glaubte.«
    Eine nasse Schnauze stupste sie an. Die warme Zunge des Wolfs leckte tröstend ihre Hände.

    Du wirst niemals alleine sein. Ich bleibe bei dir, bis zum Ende aller Tage.
    »Ich weiß, Seymour, mein lieber, treuer Bruder. Aber gib mir noch ein wenig Zeit.«
    Nicht ich bin es, der die Zeit zuteilt. Niemand kann wissen, wann es zu spät ist.
    Ivy antwortete nicht mehr. Der Schlaf hatte sie übermannt.

    Als Franz Leopold am nächsten Abend zum Speisesaal ging, sah er gerade noch, wie sich Luciano davonschlich. Kurz entschlossen verzichtete der Dracas auf seine Blutration und nahm die Verfolgung auf. Es war nicht schwer, unbemerkt an dem Nosferas dranzubleiben. Vermutlich würde Luciano ihn nicht einmal wahrnehmen, wenn er nur einen Schritt hinter ihm ginge. Seine Fähigkeit, Spuren zu wittern und ihnen zu folgen, die der Dracas in den drei Jahren der Akademie perfektioniert hatte, musste er heute jedenfalls nicht in Anspruch nehmen. Franz Leopold lief ihm einfach in einigem Abstand hinterher. Luciano ging die Weihburggasse hinunter und bog dann am Palais der Reichsgräfin Henckel von Donnersmark auf die Ringstraße ein. Hier herrschte in den frühen Abendstunden noch reger Verkehr. Fiaker und Privatkutschen rollten den Ring hinauf und hinunter und überholten den von zwei

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