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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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navigieren und nicht von der Fahrrinne abzukommen. Die größeren Kanäle waren mit Eichenpfosten markiert, die man in den Schlamm gerammt hatte, aber es gab unzählige Pfade zwischen Sandbänken, Schlick und Muschelbänken, deren Verlauf nur wenigen bekannt sein durfte. Die Vampire waren sich einig, dass die Männer dort unten ganz sicher dazugehörten. Sie steuerten weiter nach Osten, wo in der Ferne mehrere kleine Inseln auftauchten.
    Wie lange kann das noch dauern?, stöhnte Luciano.
    Warum? Bist du schon flügellahm?, erkundigte sich Anna Christina.
    Nein, aber irgendwann ist die Nacht zu Ende, und dann sollten wir uns nicht mehr hier in der Luft befinden. Die Männer können noch den ganzen Tag umherrudern. Ihnen macht die Sonne sicher nichts aus.
    Na, dann wollen wir nicht hoffen, dass sie bis nach Burano oder Torcello wollen, stimmte ihm Anna Christina zu.
    Die nächste Stunde flogen sie schweigend dahin. Natürlich hätten sie die Strecke in einem Bruchteil der Zeit zurücklegen können, vor allem Anna Christina in ihrer Gestalt als Falke, doch sie konnten nur so schnell vorankommen wie die Männer unten im Boot. Endlich brach Luciano die Stille.
    Wenn wir Glück haben, landen sie dort vorne an.
    Leo flog an Lucianos Seite. Nun konnte auch er die dunkle Silhouette einer kleinen Insel vor ihnen ausmachen. Eigentlich waren diese Eilande nordwestlich von Sant ̕ Erasmo unbewohnt, doch die Vampire sahen den schwachen Schein einer Laterne, die dem Boot unter ihnen vielleicht den Weg weisen sollte.
    Ja, das Boot hielt auf den Steg zu, und einer der Männer sprang heraus, um die Gondel zu vertäuen. Nun luden sie die Säcke aus und trugen sie über den hölzernen Steg auf die Dünen zu. Die drei verwandelten Vampire folgten ihnen neugierig. Luciano ließ sich tiefer und tiefer sinken.
    Äh, wo sind sie denn? Ich kann sie nicht mehr sehen. Sie sind verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt!
    Das kann nicht sein!, widersprach Leo, obgleich er die Männer ebenfalls aus den Augen verloren hatte. Das Boot lag noch immer vertäut am Steg. Die Lampe hatten sie gelöscht und mitgenommen. Und nun ruhte die Insel dunkel und still unter ihnen, und es schien sich kein Mensch mehr auf ihr zu befinden.
    Sie können sich nicht in Luft aufgelöst haben, widersprach der Falke und schoss nur wenige Handbreit über dem Steg hinweg. Als die wettergegerbten Holzplanken in den sandigen Boden übergingen, verschwand auch der Falke aus ihrer Sicht. Eine Welle von Schmerz rollte durch Leos Geist. Dann spürte er Verwirrung und Zorn.
    Wo war sie? Leo ließ sich tiefer sinken und sah sich um. Nichts. Er rief sie in seinem Geist.
    Anna Christina, bei allen Dämonen der Nacht, was ist los? Antworte mir!
    Doch er hörte und fühlte nichts mehr.
    D AS V ERSTECK
    Clarissa erwachte. Dieses Mal wusste sie gleich, wo sie sich befand. Auf der Insel der armen Frauen. Der verrückten Seelen. Und dennoch hatte diese seltsame Frau sie als das erkannt, was sie war. Ihre Worte hatten mehr Wahrheit enthalten als das Geschwätz der sogenannten normalen Menschen.
    Seltsam.
    Clarissa erhob sich und wanderte über die nächtliche Insel. Sie umrundete das alte Kloster bis zum Hauptanleger vor dem Kirchplatz und sah zu den vergitterten Fenstern hinauf. Dieses Mal war es nicht allein der Hunger, der sie trieb. Es war ein schrecklicher Ort, und dennoch drängte es sie, mehr über ihn und über seine unfreiwilligen Bewohner zu erfahren. Sie drang in das Gebäude ein und folgte dem Gang mit den ehemaligen Klosterzellen, in die sich in diesen Tagen keiner freiwillig von der Welt zurückgezogen hatte, um den Freuden des venezianischen Lebens zu entsagen. Nein, wer sich zu sehr von den »Normalen« unterschied, der wurde entfernt und an einen Ort gebracht, wo man ihn nicht mehr sehen musste und ihn getrost vergessen konnte.
    Dieses Mal sättigte sich Clarissa nicht am Blut der Opfer in den Zellen. Sie stattete als Erstes dem besser geheizten Teil einen Besuch ab, wo es auch deutlich besser roch. In einem Zimmer fand sie zwei Pflegerinnen, die in ihren Sesseln dösten. In ihrer hellen Tracht sahen sie wie gute Engel aus, doch ihre Mienen wirkten hart. Vielleicht wurde man an solch einem Ort mit der Zeit so, oder nur diejenigen, die bereits eine gewisse Härte mitbrachten, ließen sich auf diese Arbeit in der Abgeschiedenheit der Lagune ein. Clarissa trank in gierigen Schlucken, bis sie merkte, dass der Schlaf der beiden Schwestern einer Ohnmacht nahekam.
    Es kostete sie

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