Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)
Vamalia hinterher.« In Leos Stimme klang fast so etwas wie Erleichterung, auch wenn seine Miene unbeweglich blieb. » Bitte schön, doch ich muss mich wundern, Luciano. Ich dachte, Clarissa stünde bei dir an erster Stelle.«
Luciano zog eine gequälte Miene. »Das tut sie auch, und ich werde niemals aufhören, nach ihr zu suchen, doch du weißt selbst, wie wenig Erfolg wir bisher hatten. Wir müssen alle unsere Kräfte zusammenschließen, um überhaupt eine Chance zu haben.«
So zogen sie los, um Alisas Spur zu folgen. Weit kamen sie nicht. Die Vamalia hatte sich gewandelt. Ihre Fährte endete am Anleger nahe der Akademie. Hindrik und Luciano überquerten die eiserne Brücke, um auf der anderen Seite des Canal Grande die Anlegestellen und Gassen abzuklappern, während sich Leo und Anna Christina wandelten und aus der Luft die Umgebung absuchten. Sie konzentrierten sich zuerst auf den Palazzo Dario und das umgebende Viertel Dorsoduro, um sich dann die beiden anderen Sestiere im Süden des Canalazzo, San Polo und San Croce, vorzunehmen. Gegen drei Uhr trafen sie sich mit Hindrik und Luciano auf der Rialtobrücke.
»Nichts«, stöhnte Luciano. »Wir konnten ihre Fährte an keinem der Anleger aufnehmen. Danach sind wir noch kreuz und quer durch die Gassen von San Marco gezogen und waren sogar ganz im Osten beim großen Arsenal, aber nichts. Keine Spur von ihr.«
»Sie ist zu dieser Insel mit den Befestigungsanlagen geflogen«, vermutete Hindrik.
»Denkbar«, gab Leo knapp zurück.
»Es wäre ja immerhin möglich, dass sie Tammo dorthin gebracht haben«, warf Luciano ein. »Wir könnten hinfliegen und nachsehen.«
Leo verdrehte die Augen, widersprach aber nicht. »In Ordnung, Anna Christina und ich fliegen hin, ihr geht zu unserem Versteck zurück und behaltet den Palazzo im Auge. Vielleicht tauchen ja heute Nacht ein paar der Schemen auf.«
»Ich komme mit«, protestierte Luciano.
Leo schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein, du bleibst bei Hindrik. Wir werden keinen von uns mehr allein losschicken. Zu gefährlich. Wir wissen noch immer nicht, wie es dem Mädchen gelingen konnte, Tammo in ihre Gewalt zu bringen.«
»Ich hätte da schon eine Vorstellung«, murmelte Anna Christina und zog eine verächtliche Miene. Die anderen gingen nicht darauf ein.
»Na gut.« Murrend fügte sich Luciano in sein Schicksal und machte sich zusammen mit Hindrik auf den Rückweg, während sich die beiden Dracas zu Möwen wandelten und sich nach Osten aufmachten. Sie brauchten nicht lange, um die flache Insel mit ihren unterirdischen Verteidigungsanlagen zu erreichen.
»Ich hoffe, ich muss nicht wieder baden gehen«, sagte Anna Christina mit einem Seufzen, als sie sich zurückwandelten und dem Steg zum verborgenen Eingang folgten.
»Ich glaube, hier sind wir richtig«, sagte Leo, der ihr folgte. Ganz aus Gewohnheit sog er tief die Luft ein. Er glaubte Alisas Duft zu erkennen, doch da packte ihn der Hustenreiz. Er presste sich die Hände vor die Nase, um nicht laut zu niesen und zu husten. Anna Christina warf ihm einen tadelnden Blick zu. »Ich dachte, das hätten wir inzwischen begriffen.«
Leo zog ein Taschentuch hervor und betupfte sich die Nase. Er stöhnte nur, antwortete aber nicht.
»Du gehst vor unserem Rückflug jedenfalls ganz sicher baden«, fügte sie hinzu, ehe sie im Dunkeln der Kasematten verschwand. Leo folgte ihr.
»Wir haben die ganze Insel abgesucht«, bestätigte Leo, als sie kurz vor Sonnenaufgang zu den anderen auf den Dachboden in Dorsoduro zurückkehrten.
»Nichts?«
Leo schüttelte den Kopf. »Ich glaube, sie war dort, aber wir haben sie verpasst. Und auch sonst war die Insel völlig ausgestorben. Keiner der Larvalesti ließ sich dort blicken.«
Hindrik stöhnte. »Verflucht. Erst Tammo und dann auch noch Alisa!«
»Ja, so solltest du dich Dame Elina nicht unter die Augen trauen«, hieb Leo in die Wunde.
»Du sagst es«, stimmte ihm Hindrik düster zu. »Aber für heute können wir nichts weiter unternehmen.« Er kippte zurück in seine Kiste, schloss die Augen und fiel in seinen todesähnlichen Schlaf.
DURCH DIE LAGUNE
Tammo erwachte. Es war noch nicht vollständig dunkel. Durch die Löcher im Dach konnte er den rosa Schimmer sehen, der die bauchigen Wolken noch plastischer hervortreten ließ. Ein stürmischer Wind jagte sie über die Lagune und türmte sie zu einer bedrohlichen Wand auf. Tammo konnte den nahenden Regen riechen. Er sog die Luft ein und musste sofort husten und
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