Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
gesehen hatte.
    » Commissario ? Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
    Er zwinkerte ein wenig verwirrt, doch sie ließ ihm nicht die Chance, ihr Ansinnen abzuwehren.
    »Bitte, Signorina, setzen Sie sich. Darf ich Ihnen etwas bestellen?«
    Anna Christina wehrte ab. »Nein, danke, ich möchte mich nur ein wenig mit Ihnen unterhalten. Ich muss gestehen, ich war neugierig auf Sie, nachdem ich schon so viel von Ihnen gehört habe.«
    Natürlich fühlte er sich geschmeichelt und warf sich ein wenig in die Brust.
    »Was für eine aufregende Arbeit«, fuhr sie fort. »All die schrecklichen Verbrecher in Venedig zu jagen.«
    »So eine gefährliche Stadt ist Venedig nicht«, wiegelte er ab. »Bei uns geht es nicht so zu wie in anderen Städten des Königreichs oder gar wie in Rom. Nur hier und da ein Diebstahl, ein kleiner Einbruch. Wir haben hier eine sichere Stadt, Signorina, da können Sie ganz beruhigt sein.«
    Anna Christina sah ihn aus großen Augen an. »Ach, wirklich, Commissario? Und dabei habe ich die Leute hinter vorgehaltener Hand reden hören. Von fliehenden Schemen, die keiner zu halten vermag. Vom nächtlichen Alb, der über die Dächer kommt und dann einfach davonfliegt.«
    Sie sah in seinen Gedanken einen Raum Gestalt annehmen. Was war das? Ein Palazzo, ja, sie konnte Leuchter und Gemälde sehen und schwere Vorhänge.
    Ein Ball oder ein Empfang? Es waren Damen und Herren in feiner Abendgarderobe anwesend, die aufgeregt durcheinanderredeten. Sie hörte die schrille Stimme einer Dame, die kurz davor war, in Hysterie zu verfallen, und spürte den Groll des Commissarios, der so etwas hasste.
    Was rief sie? Irgendetwas von einem Collier und einem Diamantarmband.
    »Was ist mit all diesen Überfällen«, raunte Anna Christina ihm ins Ohr. »Der Schmuck, das Geld«, fügte sie hinzu, um seine Fantasie anzuregen.
    Die Bilder in seinem Kopf wurden klarer. Ah, jetzt konnte sie die seltsam grünen Tische erkennen. Es war ein Casino. Nicht schlecht! Da hatten diese Vermummten sicher gute Beute gemacht.
    »Das Casino«, half sie ihm auf die Sprünge. »Konnten Sie diesen Überfall aufklären? Und was ist mit den Einbrüchen in die Palazzi?«, fantasierte sie, als ihr der Tizian einfiel und die anderen Gemälde, die sie in dem geheimen Lager gefunden hatten.
    Seine Miene blieb noch immer unverändert, doch sie konnte die Gefühle von Zorn und Demütigung in ihm aufsteigen spüren, die dann in Resignation übergingen. Er konnte ihnen einfach nicht beikommen.
    »Wer sind sie?«, drängte Anna Christina.
    »Keiner weiß es«, flüsterte der Kommissar gegen seinen Willen. »Wir nennen sie Larvalesti , denn sie sind wie Geister, wie flüchtige Schemen, die keiner halten kann. Es gibt sie, seit ich denken kann. Meine Großmutter hat mir als Kind von ihnen erzählt. Wie sie früher in der großen Zeit der Serenissima die Kaufleute beraubten und jedes Mal verschwanden, ohne eine Spur zu hinterlassen  – außer ein wenig Staub.«
    »Haben Sie nicht versucht, sie zu finden und zu fassen?«, drängte Anna Christina.
    »Oh ja, seit vielen Jahren ist es mein einziges Ziel, der Larvalesti habhaft zu werden. Darüber werde ich alt und grau, doch ich kann sie nicht aufspüren. Immer wenn ich glaube, wir sind ihnen dicht auf den Fersen und werden sie erwischen, schlagen sie uns ein Schnippchen, und wir bleiben zurück, in entrückte Träume versunken.«
    S PITZEL
    »Wusste dein Commissario sonst noch etwas über diese Larvalesti «, erkundigte sich Alisa. »Schnelle Schemen oder huschende Geister, was für ein passender Name.«
    Sie saßen wieder auf ihrem Dachboden beisammen. In dieser Nacht war keiner der Schemen im Palazzo Dario aufgetaucht. Die Erben hatten beschlossen, das geheime Lager wieder zu verschließen und so zurückzulassen, wie sie es vorgefunden hatten. Sie wollten noch nicht preisgeben, dass sie das Versteck entdeckt hatten.
    »Er sagte, die Larvalesti seien bei den armen Leuten so eine Art Volkshelden, da sie nur reiche Adelige und Besucher der Stadt berauben. Man sagt ihnen manche gute Tat nach, daher finden sich nur selten Zeugen, die bereit wären, der Polizei Hinweise zu geben. Er vermutet, dass die Larvalesti zahlreiche Verstecke in den ärmeren Vierteln haben, vor allem in Castello bei den Werftarbeitern des Arsenals. Vielleicht verstecken sie dort ihre Schiffe, mit denen sie im Schutz der Nacht unterwegs sind. Er vermutet auch, dass sie irgendeine der zahlreichen unbewohnten Laguneninseln als Rückzugsort gewählt

Weitere Kostenlose Bücher