Die Erben der Nacht - Pyras
Geplänkel. »Dame Elina hat euch etwas zu sagen. Folgt mir.«
Da es auf der Brücke für alle Erben und ihre Begleiter zu eng war, trafen sie sich auf dem Achterdeck. Neugierig drängten sich die jungen Vampire um sie, um keines ihrer Worte zu verpassen.
»Stehen die Häuser noch?«, wollte Sören wissen.
Dame Elina schüttelte den Kopf. »Nein, sie haben über Tag die ersten fünf Häuser der Reihe abgerissen. Die Häuser sind nur noch Schuttberge, die sie nun nach und nach abtragen. Reint und Anneke sind gleich nach Sonnenuntergang zurückgelaufen, um vom Stand der Dinge berichten zu können.«
Alisa schluckte. »Es sind nur Häuser, die die Menschen vor zweihundert Jahren erbaut haben, und doch fühlt es sich seltsam an, zu hören, dass sie nun unwiederbringlich zerstört sind. Tammo, Sören und ich haben dort gelebt, seit wir von einer Vamalia geboren wurden. Von dort bin ich jede Nacht zu meinen Ausflügen in den Hafen und die Stadt aufgebrochen, und in ihre Sicherheit bin ich am Morgen zurückgekehrt. Nun gibt es sie nicht mehr, und an ihrer Stelle wird ein moderner Speicherbau emporwachsen, um Tee und Kakao, Gewürze und Kaffee, Seide und Wolle, Teppiche und andere exotische Kostbarkeiten bis zu ihrem Weiterverkauf aufzunehmen.«
»Vielleicht ist diese Speicherstadt gar keine schlechte Alternative«, meinte Ivy. »Die Menschen arbeiten dort bei Tage, bei Nacht jedoch würde die Speicherstadt den Vamalia gehören, wenn ihr es geschickt anstellt, ein Revier für euch abzutrennen und zu sichern.«
»Und genau Letzteres wird wohl das Problem sein«, ergänzte Franz Leopold. »Wir haben bereits erlebt, wie erbärmlich schlecht die Vamalia darin sind, ihr Heim vor dem Eindringen von Menschen zu schützen.«
Alisa funkelte ihn böse an, aber der Dracas ignorierte sie.
»Sie werden einen Weg finden«, sagte Ivy voller Zuversicht. »Und bis dahin ist die Fregatte keine schlechte Lösung.«
»Was meint ihr, wie lange die Menschen brauchen, diese Speicherstadt und die neuen Kanäle zu bauen?«, fragte Luciano.
»Na, wir werden die Fertigstellung während unseres Jahrs in Hamburg jedenfalls nicht mehr erleben!«, sagte Franz Leopold. Luciano schien enttäuscht.
»Vermutlich hast du recht. So schnell sind die Menschen nicht.« Er seufzte. »Nun gut, dann bleiben wir halt auf dem Schiff. Es ist nicht schlecht. Nur alles ein wenig eng.«
»Beschwere dich nicht«, gab Alisa zurück. »Hast du nicht gehört, was Hindrik erzählt hat? Bis zu fünfhundert Mann haben sie auf dieser Fregatte an Bord genommen. Vermutlich mussten sie sich zu dritt eine Koje teilen und immer im Wechsel schlafen. Dir wird jedenfalls keiner deinen Sarg streitig machen«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu.
Luciano zog eine Grimasse. »Das ist es nicht, was mir Sorgen bereitet. Ich fürchte nur, wir könnten die nächsten Monate unter zu strenger Aufsicht stehen.«
Alisa machte ein betroffenes Gesicht. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht.« Ihr Blick wanderte über die offenen Schlickflächen und die Flussaue, die bis auf ein paar Büsche keine Deckung bot. »Wir müssen uns etwas einfallen lassen!«
Dame Elina unterbrach ihre Überlegungen. Sie räusperte sich erst und sprach dann mit klarer Stimme, dass auch die drei Dracas, die sich im Hintergrund hielten, sie mühelos verstehen konnten.
»Ich will keine Zeit mit langen Reden vergeuden. Mit Beteuerungen darüber, wie unerwartet die Ereignisse über uns hereinbrachen, oder der Frage, ob wir es vorhersehen und anders reagieren, ja das Vorhaben der Menschen gar verhindern hätten können. Das alles
nützt uns jetzt nichts. Wir müssen von der Situation ausgehen, in der wir uns im Augenblick befinden, und eine Lösung suchen. Vorübergehend ist die Fregatte ein brauchbarer Unterschlupf, doch dies ist kein Ort, an dem wir guten Gewissens das Jahr der Akademie abhalten können.«
»Bei allen Dämonen der Hölle, sie wird euch doch nicht etwa nach Hause schicken wollen?«, murmelte Alisa mit einem Ausdruck des Entsetzens.
»Ich fürchte, darauf wird es hinauslaufen«, sagte Ivy und fühlte sich plötzlich elend. Sie konnte nur hoffen, dass ihre Stimme sie nicht verriet. »Das wäre die vernünftigste Lösung. Die Akademie kann im nächsten Jahr ja wieder fortgeführt werden.« Damit legte sie Alisa den Arm um die Schulter, obwohl sie selbst Trost gebraucht hätte.
»Dann sehen wir uns monatelang nicht«, murrte Luciano düster, und Franz Leopold fügte hinzu: »Welch eine
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