Die Erben der Nacht - Pyras
bedienen.«
Und so begann ihre erste Unterrichtsstunde bei den Pyras in Paris. Obwohl Franz Leopold die Vermutung äußerte, Claude könne nicht zu den einflussreichen Pyras zählen, da ihm zu Anfang nur drei Ratten um die Füße wuselten, schien er etwas von der Sache zu verstehen, was eine kurze Demonstration, bei der mehr als ein Dutzend Ratten auftauchten und dann wieder in die ihnen zugewiesenen Gänge verschwanden, zeigte.
»Zuerst werdet ihr üben, die Ratten in den Gängen und Nischen aufzuspüren.«
»Das haben wir doch alles schon in Irland gelernt«, protestierte Luciano.
»Gut, dann solltet ihr diesen Teil ja schnell beherrschen«, erwiderte Claude, der sich nun nicht mehr aus der Ruhe bringen ließ. »Danach ruft ihr so viele Ratten, wie ihr aufspüren könnt. Ich zeige euch, wie wir es machen, erklären lässt sich das nicht so einfach.«
»Sie benutzen eine andere Technik«, meinte Ivy, die eine der wenigen war, die ihm so aufmerksam zusah, dass sie verstand, was genau er tat. Das lag allerdings auch daran, dass sie darüber hinaus in seine Gedanken sehen konnte.
»Ja, und?«, meinte Luciano, dem es nur mit Mühe gelang, eine Ratte zu sich zu rufen. »Ist doch völlig egal, wie man es anstellt.«
»Nein, ist es nicht«, widersprach Ivy, die mit absoluter Leichtigkeit eine Ratte nach der anderen aufspürte, sie zu sich rief und ihr befahl, zu ihren Füßen auf Befehle zu warten. »Wenn du es so machst, wie du es in Irland gelernt hast, musst du jedes Tier einzeln ansprechen. Du suchst nach den Schwingungen seines Geistes, verbindest den deinen mit ihm und gibst ihm einen Befehl, den es befolgt, wenn du stark genug bist.«
»Eben, geht doch!«, rief Luciano und deutete voller Stolz auf die Ratte zu seinen Füßen. Franz Leopold und Alisa war es immerhin gelungen, jeweils drei Tiere zu sich zu rufen. Alisas Nager stellten sich hintereinander in einer Reihe auf und erhoben sich auf die Hinterbeine.
»Wie viele Ratten kannst du auf diese Weise beherrschen, und was kannst du sonst noch tun, während du dich auf sie konzentrierst?«, fragte Ivy. »Selbst mir gelingt es nicht, mehr als ein halbes Dutzend gleichzeitig unter Kontrolle zu halten, geschweige denn meinen Geist in derselben Zeit mit etwas anderem zu beschäftigen.«
Alisa sah sie interessiert an und merkte gar nicht, dass sich zwei ihrer Nager heimlich wieder davonmachten. »He!«, rief sie empört, als es ihr endlich auffiel, doch da waren sie schon hinter einem der Pfeiler aus aufgestapelten Bruchsteinen verschwunden.
»Da, seht euch Claude an. Das ist nicht zu verachten!«
Der Pyras hatte sich in Ruhe die Versuche der jungen Vampire
angesehen, ehe er sich wieder in ihre Mitte begab. Alisa konnte nicht genau sagen, was er tat, aber plötzlich strömten von allen Seiten Ratten herbei und umringten ihn in einem wogenden Kreis aus grauen, fellbedeckten Leibern. Sie konnte sie nicht zählen, so viele waren es. Dann gab er einen unhörbaren Befehl und sie teilten sich in gleichmäßig große Gruppen auf und verschwanden nach allen Himmelsrichtungen in den Gängen. Nur seine drei Ratten, die bereits vorher bei ihm gewesen waren, blieben zurück - zumindest nahm Alisa an, dass es dieselben waren.
»Ich habe die Ratten weggeschickt, dass sie eine Aufgabe für mich erledigen. Sie sollen etwas in Erfahrung bringen und dann zu mir zurückkehren«, erklärte Claude. Er ließ sich auf einem Sarg nieder, verschränkte die Beine und wartete. Nach und nach kamen die Ratten geordnet in ihren Formationen zurück. Sie schienen ihm Nachrichten zu überbringen, denn er nickte jedes Mal zufrieden, doch sosehr Alisa sich auch anstrengte, sie konnte nichts verstehen. Dann, als die letzte Gruppe Ratten kam, verzog er das Gesicht und schüttelte kurz den Kopf, als würde ihm nicht gefallen, was sie ihm mitteilten.
»Kannst du die Gedanken der Ratten auffangen?«, fragte sie Ivy. »Ja, aber es ist schwierig, da sie sich überlagern und die Botschaft dadurch verzerrt wird.«
»Er hat sie ausgeschickt, einige Ausgänge zu überprüfen«, mischte sich Franz Leopold ein. »Die ersten Gruppen meldeten erwartungsgemäß und zu seiner Zufriedenheit, dass die Schlösser, die die Inspekteure der Stadt an den Gittern angebracht haben, ordnungsgemäß verschlossen sind, doch die letzte Gruppe fand den Zugang nur zugeschoben, das Schloss aufgebrochen.«
Alisa und Luciano sahen ihn verwundert an. »Du konntest die Nachricht verstehen, wo nicht einmal Ivy das geschafft
Weitere Kostenlose Bücher