Die Erben der Schöpfung
verdient, aber ich sehe Nakamura fast lieber so, als ihm sagen zu müssen, dass uns der mit dem Halsband ausgebüxt ist.«
»Tja, aber einfangen müssen Sie ihn trotzdem wieder, oder? Sie können ihn ja verfolgen. Er trägt ein Halsband mit einem Sender.«
»Verdammter Mist, Mercer.«
»Hol mal jemand Gupta.«
»Mercer, Sie kapieren es nicht, oder? Kenji ist tot! Vergessen Sie den Schimpansen.«
»Ich habe gesagt, jemand soll Gupta holen. Und alle anderen, die mit diesem Schimpansen gearbeitet haben. Sofort.«
Carlos stellte das Band ab.
Susan hatte die Augen weit aufgerissen und schwieg lange, während sie verdaute, was sie soeben gehört hatte. »Carlos, das ist es! Wir müssen diesen Affen als Erste finden! Wenn wir ihn fangen, haben wir die Geschichte des Jahrhunderts. Mit den Beweisen, die wir jetzt schon haben, und ein paar Aufnahmen des Schimpansen kommen wir auf jede Titelseite und in jede Nachrichtensendung auf der ganzen Welt. Wir müssen den Affen einfach als Erste finden! Das ist super!« Begeistert zupfte sie Carlos am Arm.
Carlos zog eine Augenbraue hoch.
Erneut schwand Susans Euphorie. »Aber wie sollen wir das anstellen? Wie fangen wir einen wilden Schimpansen, der irgendwo in einem Umkreis von dreihundert Kilometern im Amazonas-Dschungel herumläuft?«
Carlos hielt ein Taxi an. »Sind Sie knapp bei Kasse, Ms. Archer-Bentham?«
Susan schüttelte den Kopf.
»Gut, denn wir werden Geld brauchen, wenn wir gleich unsere Führerin treffen. Hoffen wir einfach, dass wir die Frequenz dieses Affen bald orten.«
Carlos setzte sich in das Taxi, und Susan folgte ihm.
»Jamie! Wach auf!«
Sie drehte sich auf die andere Seite.
Es klopfte erneut. »Jamie!«
Wie spät war es? Sie rieb sich die Augen und sah auf die Uhr, ehe sie sich das Kissen über den Kopf zog.
»Jamie!«
Sie warf das Kissen gegen die Tür. »Sameer? Verschwinde.«
»Er ist weg, Jamie! Wach auf!«
Wehe, es war nichts Wichtiges.
Fröstelnd setzte sie sich auf. Nach zwei Jahren im feuchten Dschungel ohne Klimaanlage hatte sie sich angewöhnt, zum Schlafen mehr Decken zu nehmen statt mehr anzuziehen. Sie stand auf und schlüpfte in Shorts und T-Shirt.
»Jamie!«
Sie öffnete die Tür. »Was ist denn los?«
»Er ist weg. Der Schimpanse. Er ist auf einem Boot geflohen.«
»Warum hast du das nicht gleich gesagt?« Sie machte sich eilig fertig.
»Komm mit. Mercer wartet schon.«
»Weiß Kenji Bescheid?«
»Kenji ist tot.«
»Was?«
»Er ist tot, Jamie. Und Simons und Michaels auch. Irgendeine Art Unfall. Ich hab’s gerade erst erfahren.«
»Alle drei?« Jamie trabte hinter Sameer her. Jegliche Schläfrigkeit war schlagartig verschwunden.
»Ich weiß nicht in allen Einzelheiten Bescheid, aber ich habe es direkt von Mercer erfahren.«
»Glaubst du etwa, irgendjemand hat…«
»Keine Ahnung. Mercer meint, sie sind von einem der Tiere getötet worden. Halt auf jeden Fall die Augen offen. Ich weiß nicht, was ich glauben soll.« Sie bogen am Ende des Wohntrakts um die Ecke und kamen an der Cafeteria und am Postraum vorbei.
Jamie sagte kein Wort. Warum waren sie alle drei zur selben Zeit umgebracht worden? Das hieß ja, dass alle Wissenschaftler, die an dem Schimpansenprojekt mitarbeiteten, tot waren.
Sie traute Mercer nicht. Es würde nicht genügen, lediglich die Augen offenzuhalten.
»Hey! Was ist denn los?«, ertönte Stiles’ Stimme hinter ihr. Jamie blieb stehen.
»Roger?« Stiles und Jeremy kamen im Laufschritt auf sie zu. Stiles sah so perplex aus, wie sie sich fühlte. Bei Jeremy war es noch auffälliger.
»Mercer hat gerade angerufen und etwas von einer Notfallbesprechung gesagt. Könnte mir freundlicherweise jemand verraten, was zum Henker hier los ist?«
Jamie und Sameer warteten, bis die beiden bei ihnen angelangt waren, ehe sie weitergingen.
»Es geht um Nakamura.«
»Hat er die Besprechung anberaumt?«
»Er ist tot.«
Stiles blieb wie angewurzelt stehen. Diesmal gingen die anderen weiter.
»Haben Sie tot gesagt?« Ruckartig setzte er sich wieder in Bewegung.
Sameer, der inzwischen völlig außer Atem war, gab die Geschichte so wieder, wie er sie gehört hatte.
Im Gänsemarsch stiegen sie die Treppe zum ersten Stock hinauf und gingen auf Nakamuras Büro zu. Eine Traube von Wachmännern stand vor der Tür.
»Wo ist Mercer?«, herrschte Stiles sie an.
»Bitte treten Sie zurück. Hier ist ein Verbrechen geschehen. Niemand hat Zutritt, ohne dass…«
Die Tür ging auf, und David Mercer kam
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