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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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noch vor ihrer Geburt. Das hatte sie selbst jedoch erst gemerkt, als sie eines Tages einen winzigen Schössling neben der Mülltonne in der kleinen Gasse hinter ihrem Haus entdeckte …

RACHELS GESCHICHTE

FÜNFZIG
    Kermit, Texas, 1965
     
    R achel entdeckte den Schössling im März, als der WestTexas-Wind noch jede Menge gelben Sand heranwehte. Sie inspizierte ihn in der Hocke – die Haltung, die ihren Vater inspirierte, ihr den Kosenamen »Häschen« zu geben. Diese Pflanze sah anders aus als das grobe, stachelige Unkraut oder die Nesseln, die zwischen dem hohen Gras hinter dem Haus wuchsen. Ihre hellgrüne Farbe und zarte Beschaffenheit faszinierten sie so sehr, dass sie beim Essen, Abspülen und bei den Hausaufgaben daran dachte und vor dem Schlafengehen hinausschlich, um sie vor dem Frost zu schützen.
    Am folgenden Tag eilte sie von der Schule nach Hause und baute eine kleine Mauer aus Steinen drumherum, um sie vor den Müllmännern und dem Rasenmäher ihres Vaters in Sicherheit zu bringen.
    »Was hast du denn da, Häschen?«
    »Keine Ahnung, Daddy, aber ich werde mich darum kümmern, bis es ausgewachsen ist.«
    »Möchtest du nicht lieber einen kleinen Hund oder ein Kätzchen?«, fragte er in merkwürdigem Tonfall.
    »Nein, Daddy. Mir sind Pflanzen lieber.«
    Der Schössling entpuppte sich schließlich als Ranke, die sich über die Steine hinwegschlängelte und einen dunklen Kürbis trug. Rachels Vater mutmaßte, die Pflanze sei einem aus dem Müllsack gefallenen Samen entsprossen, der im Boden Wurzeln geschlagen habe. Als der Kürbis daran wuchs,
hörte Rachel ihren Vater zu ihrer Mutter sagen: »Ich glaube, wir haben da eine kleine Farmerin in der Familie.«
    »Solange sie sich nicht ausgerechnet für Baumwolle interessiert«, entgegnete ihre Mutter.
    Eines Samstagmorgens kurz nach der Geburt von Rachels Bruder nahm ihre Mutter sie zu Woolworth’s mit, wo sie sich »etwas Besonderes, allerdings nicht zu Teures« aussuchen durfte. Rachel steuerte sofort auf die Haushaltswarenabteilung zu. Als ihre Mutter sie einholte, hatte sie bereits fünf bunt glänzende Tütchen Gemüsesamen ausgewählt.
    Rachel dachte, ihre Mutter würde sich freuen, denn die Gesamtkosten für den Einkauf beliefen sich auf gerade mal fünfzig Cent. Doch ihre Mutter schürzte die Lippen und runzelte die Stirn. »Was willst du denn damit?«
    »Ein Gemüsebeet anlegen, Mama.«
    »Du hast doch keine Ahnung, wie man das macht.«
    »Dann lerne ich es eben.«
    Zu Hause sagte ihre Mutter zu ihrem Vater: »William, hilf Rachel nicht beim Anlegen des Beets. Wenn es sich gut entwickelt, kann sie auf ihre eigene Leistung stolz sein.« Oder auf ihren Misserfolg , las Rachel in dem Blick, mit dem sie William bedachte. Rachel begriff das Missfallen ihrer Mutter nicht. Es war das erste Mal überhaupt, dass sie sie in ihren Bemühungen nicht unterstützte.
    Rachels Projekt wurde kein Misserfolg. Sie las die Anweisungen auf den Tütchen sorgfältig und befolgte die Tipps der Gartenbücher, die sie sich von der Bibliothek auslieh, genau. Jeden Tag nach der Schule entfernte sie das Gras aus dem etwa drei mal drei Meter großen Beet neben dem Haus und übergoss es mit kochendem Wasser, um Larven und Fadenwürmer zu vernichten. Zur Düngung des Bodens holte sie Hühnerkot aus dem Stall des Nachbarn und schüttete eimerweise Sand von hinter dem Bahndamm, wo sie wohnte, darauf, um ihn zu
lockern. Garage und Mülltonnenplatz räumte sie für Pflanzbehälter frei.
    »Was um Himmels willen …?«, rief ihre Mutter stirnrunzelnd aus, als sie die Blechdosen und abgeschnittenen Milchpackungen auf den Fensterbrettern ihres Zimmers entdeckte.
    »Da sind Keimlinge für mein Beet drin«, antwortete Rachel mit fröhlicher Stimme. »Die Sonne erwärmt die Erde und lässt sie austreiben und wachsen.«
    Diese Antwort ließ das Stirnrunzeln ihrer Mutter nicht verschwinden. »Pass auf, dass es beim Gießen keine Überschwemmung gibt, Rachel, sonst ist das das Ende des Projekts.«
    Es gab keine Überschwemmung, und im Frühjahr meldete sie ihr Beet in der Schule als Projekt an. »Na so was«, sagte der Biologielehrer beeindruckt, als er es bewerten sollte. »Schwörst du, dass dein Vater dir nicht beim Umgraben, Jäten, Kompostschaufeln oder Errichten des Maschendrahtzauns geholfen hat?«
    »Ja, Sir. Das hab ich alles selber gemacht.«
    »Tja, dann hast du dir eine Eins verdient, Mädchen. Deine Eltern können stolz auf dich sein. Sie haben eine richtige Farmerin in der

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