Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
breites, lässiges Lächeln, trat sehr gewandt auf, und wenn er lachte, blitzten seine Augen. Die Frauen fanden ihn zunehmend sympathischer. In den letzten vier Monaten waren eine Menge Leute gekommen, um Lettie zu besuchen. Wie Charley behaupteten viele von ihnen, Blutsverwandte zu sein. Angesichts der löchrigen Familien geschichte fiel es Lettie und den Ihren nicht schwer, hart zu sein und zahlreiche potenzielle Verwandte einfach wegzuschicken. Die Wahrheit war, dass sie inoffiziell von Clyde und Cypress Tayber adoptiert worden war, nachdem sie mehr als einmal von einer Tante zur nächsten weitergereicht worden war. Sie hatte keine Ahnung, wer ihre Großeltern waren. Portia hatte Stunden damit zugebracht, die Geschichte ihrer Herkunft zu durchforsten, aber nicht viel herausgefunden. Und daher kam es wie ein Schock, als Charley sagte: »Meine Großmutter war eine Rinds, und du, Lettie, bist das auch, glaube ich.«
    Als er einige Unterlagen hervorholte, gingen sie ins Esszimmer hinüber, wo sie sich um den Tisch versammelten. Charley faltete eine Zeichnung auseinander, die von Weitem eher wie eine Scheuerbürste und nicht wie ein normal gewachsener Baum aussah. Krumme Linien verliefen in alle möglichen Richtungen, und in die Ränder hatte jemand Anmerkungen geschrieben. Was immer es auch war, jemand hatte Stunden damit verbracht, es zu entschlüsseln.
    »Meine Mutter hat mir dabei geholfen«, erklärte Charley. »Ihre Mutter war eine Rinds.«
    »Und wo kommt das Pardue her?«, erkundigte sich Portia.
    »Von der Familie meines Vaters. Sie stammt aus Kansas City und hat sich schon vor langer Zeit in Chicago niedergelassen. Dort haben sich auch meine Eltern kennengelernt.« Er zeigte mit einem Tintenschreiber auf die Zeichnung. »Die Familie geht auf einen Mann namens Jeremiah Rinds zurück, einen Sklaven, der um 1841 herum in der Nähe von Holly Springs geboren wurde. Er hatte fünf oder sechs Kinder, von denen eines Solomon Rinds war. Solomon hatte mindestens sechs Kinder, darunter Marybelle Rinds, meine Großmutter. Sie brachte 1920 meine Mutter, Effie Rinds, zur Welt, die in diesem County geboren wurde. 1930 gingen Marybelle Rinds, ihr Mann und einige andere aus der Familie Rinds nach Chicago und haben es nie bereut.«
    »In dem Jahr wurde der Grundbesitz von Sylvester Rinds an die Familie Hubbard übertragen«, fiel Portia auf. Die anderen hörten das, aber es hatte nicht viel zu bedeuten. Portia war nicht einmal sicher, ob es überhaupt eine Verbindung gab; es fehlten zu viele Details.
    »Davon weiß ich nichts«, erwiderte Charley. »Aber meine Mutter kann sich an eine Cousine erinnern, die das einzige Kind von Sylvester Rinds war. Soweit wir wissen, wurde diese Cousine 1925 geboren. Nach 1930, als die Familie auseinandergerissen wurde, haben sie den Kontakt verloren. Doch im Laufe der Jahre gab es den üblichen Familientratsch. Angeblich bekam dieses Mädchen sehr jung ein Kind, der Vater machte sich aus dem Staub, und die Familie hat nie erfahren, was mit dem Baby passiert ist. Meine Mutter kann sich noch daran erinnern, dass ihre Cousine Lois hieß.«
    »Ich habe gehört, der Name meiner Mutter sei Lois gewesen«, sagte Lettie leise.
    »Dann sieh doch nach, was auf deiner Geburtsurkunde steht«, schlug Charley vor, als wäre er endlich an einem entscheidenden Punkt angekommen.
    »Ich habe nie eine Geburtsurkunde besessen«, erwiderte Lettie. »Ich weiß, dass ich 1941 in Monroe County geboren wurde, aber es gibt keine offizielle Geburtsurkunde.«
    »Die Eltern wurden nicht aufgeführt«, fügte Portia hinzu. »Vor Kurzem haben wir in Monroe County einen Hinweis ge funden. Die Mutter wurde als L. Rinds angegeben, sechzehn Jahre alt. Der Vater ist H. Johnson, aber danach wird er nie wieder erwähnt.«
    Charley war schwer enttäuscht. Er hatte so hart gearbeitet und war so weit gefahren, um der neu gefundenen Cousine ihre Abstimmung zu beweisen, nur um dann in einer Sackgasse zu landen. Wie konnte man ohne Geburtsurkunde überhaupt am Leben sein?
    »Meine Mutter wurde von Cypress und ihrem Mann sozusagen adoptiert«, fuhr Portia fort. »Die Wahrheit hat sie erst mit dreißig Jahren erfahren. Aber da zu der Zeit schon viele ihrer Verwandten tot oder weggezogen waren, spielte das sowieso keine Rolle mehr.«
    »Ich war verheiratet und hatte drei Kinder, als ich es herausfand. Ich konnte schlecht losziehen und nach ein paar toten Verwandten suchen. Außerdem war es mir eigentlich egal. Es ist mir immer noch egal.

Weitere Kostenlose Bücher