Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

entwischen. Die Klinge des Hauptmanns fiel und trennte den Kopf vom Körper.
    Der Jagdmeister nickte kurz anerkennend. Doch die Hunde heulten wütend, da man ihnen ihre Beute vorenthielt. Das ganze Rudel warf sich nach vorn. Zum ersten Mal sah Kalan, wie sie sich wütend gegen den Griff des Jagdmeisters auflehnten und mit aller Kraft versuchten freizukommen. Der Jagdmeister sagte nichts und bewegte sich nicht. Doch Kalan spürte das mächtige Hin und Her des Willens. Einige furchtbare Momente lang bezweifelte er, ob der Jagdmeister die Oberhand behielt. Langsam wurden die Hunde aber wieder zum Meister gezogen. Mit hängenden Köpfen und eingeklemmten Ruten standen sie an seiner Seite; immer noch gereizt, aber geschlagen.
    Kalan schluckte. » Was passiert, wenn Ihr sie nicht kontrollieren könnt? « , fragte er flüsternd.
    Der Jagdmeister hielt den Stumpf hoch, an dem seine linke Hand hätte sein müssen. » Das war das einzige Mal, dass die Angelegenheit auf der Kippe stand. Doch das wird nicht noch einmal geschehen. «
    Kalan schauderte und sah wieder in das rotweiße Zimmer hinüber. Doch der Schleier war bereits wieder dichter geworden. Die Menschen in dem Raum waren nur noch schwach erkennbar, wie Gestalten im Nebel. » Das Tor schließt sich « , sagte der Jagdmeister. » Unser Teil hier ist erfüllt, und jetzt müssen wir gehen. « Er drehte sich um und ging fort. Der schwarze Umhang bauschte sich hinter ihm, und die Krähe flog über seinem Kopf. Die Hunde folgten ihm wie eine weiße Flut. Die Jäger glitten hinter ihnen her. Widerwillig schloss Kalan sich ihnen an.
    » Wenigstens ist Malian in Sicherheit « , dachte er. Dann kam mit einem plötzlichen Ausbruch von Stolz der Gedanke: Und ich habe sie gerettet. Ich, Kalan, habe meine Freundin, die Erbin der Nacht gerettet – mit Hilfe des Meisters, natürlich!
    Er drehte sich ein letztes Mal am Waldrand um und sah etwas, das wie ein Nebelfetzen aussah und sich vom Tor löste. Er beobachtete, wie es über den Gipfel des Hügels schwebte in Richtung des sicheren Waldes und der Nebeldecke. » Was ist das? « , fragte er.
    Der Jagdmeister blieb stehen. » So, so « , sagte die schroffe Stimme. » Ich hatte vergessen, dass Sirenenwürmer die Kraft haben, ihren Geist vom Körper zu lösen, wenn sie sterben. Diesen Geist oder die Seele siehst du da. Nenn es, wie du willst. Er versucht, zu seinen Herren zurückzukehren. «
    » Was sollen wir tun? « , fragte Kalan. Er war sich sicher, dass irgendetwas getan werden musste. Solch ein Geist konnte so viele Informationen an den Schwarm weitergeben: über Malian, das silberne Feuer, über ihn selbst und den Jagdmeister und sogar über das Geheimnis der großen goldenen Katze. Man durfte nicht zulassen, dass er entkam.
    Die schwarze Maske schaute ihn an. » Da hast du wohl recht « , stimmte der Jagdmeister zu. » Doch die Lösung ist einfach genug. Hier hinter dem Tor kann ich die Hunde von der Leine lassen. Der Jagdmeister muss immer noch bei der Jagd bleiben, aber du darfst das Risiko nicht auf dich nehmen. Du musst jetzt schnell gehen. Geh zurück durch den Wald zu dem Portal, das du benutzt hast, um diesen Ort zu betreten. Bleib nicht stehen und drehe dich unter gar keinen Umständen um, sonst wirst du hier gefangen sein, wenn die Jagd losgeschickt wird. Sogar ich und das Symbol, das du trägst, werden dich nicht retten können, wenn das geschieht. «
    Kalan schauderte und war sich der Blutrünstigkeit der Hunde nur allzu bewusst. Doch dann zögerte er. » Ich kenne Euren wahren Namen nicht « , sagte er, » aber danke, dass Ihr Malian geholfen habt. Und mir. «
    Er nahm die tiefe Belustigung hinter der Ausdruckslosigkeit der Maske wahr. » Du bist der Symbolträger, Junge – Kalan. Du warst es, der die Jagd aufweckte. Wenn das einmal geschehen ist, muss der Jagdmeister ebenfalls wach sein und sie führen, sonst versagt Mayannes Bindung. Was meinen Namen angeht, der dich so sehr interessiert – er hat mit dem Ring zu tun. Das sollte dir Hinweis genug sein. Jetzt geh! Die Zeit wird knapp! «
    Er wandte sich ab. Die weißen Hunde rannten mit rotglühenden Augen hinter ihm her. Kalan konnte gerade noch den blassen Geist des Sirenenwurms ausmachen, der in den Wald schlüpfte. Einen Moment lang glaubte Kalan, dass der Wurm doch noch davonkommen würde. Doch während er noch hinsah, pfiff der Jagdmeister und rief den Hunden etwas mit seiner barschen Stimme zu. Sie antworteten mit einem tiefen Bellen, sprangen davon und