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Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Lowe
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strömten zwischen die Bäume. Der Jagdmeister schaute zurück. » Warte nicht, Junge, du wirst nicht mögen, was du siehst. Du musst gehen, bevor die Tür sich wieder schließt, oder die Jagd wird nach neuer Beute suchen. Also lauf jetzt! Lauf! «
    Kalan rannte, und der dichte Wald seiner Träume schloss sich wieder um ihn. Er hatte, solange er im Schatten des Jagdmeisters ging, vergessen, wie dunkel und wild dieser Wald zunächst ausgesehen hatte. Jetzt wurden die Baumwurzeln dicker und wanden sich um ihn, als er rannte. Sie hatten sich verschworen, ihn zu Fall zu bringen. Gleichzeitig beugten sich die nackten Äste hinunter und griffen mit dürren Fingern nach ihm. Er lief weiter eingedenk der Warnung des Jagdmeisters. Doch der Pfad wurde immer enger und der Weg vor ihm immer dunkler, bis der Wald sich völlig um ihn schloss und ihn mit einem undurchdringlichen Dickicht umgab. Kalan starrte hinauf zu den verschlungenen Wipfeln, durch die keine Sterne zu sehen waren. Seine Kehle war trocken, und er schluckte schwer.
    » Was willst du? « , fragte er. Doch seine Stimme klang dünn und unbedeutend. Sie verlor sich in dem erdrückenden Dickicht des Waldes. Keine Stimme antwortete. Die Qualität des Schweigens wurde tiefer. Kalan atmete tief durch. » Ich weiß, dass du mich hören kannst! « , sagte er trotzig.
    Etwas bewegte sich in der Dunkelheit zwischen den Bäumen und kam langsam ins Sichtfeld. Kalan hielt den Atem an. Er hoffte und erwartete, das eindringliche Summen des großen Speers zu hören. Doch die Bewegung wurde zu der schwarzen Maske des Jagdmeisters. Die Maske schwebte zwischen den verstrickten Armen der Bäume. Die hohlen Augen betrachteten ihn unergründlich und finster. » Eine weise Person kennt die Gesichter seiner Freunde – und die seiner Feinde. «
    » Nicht schon wieder! « , sagte Kalan angewidert. » Warum behelligt Ihr mich jetzt damit, wo Ihr selbst mir doch gesagt habt, ich soll gehen? « Doch die Maske verblasste bereits wieder in dem verdrehten Netz aus Zweigen. Die Bäume bewegten sich, als ob eine verborgene Brise zwischen ihnen hindurchginge. Die blattlosen Zweige knarrten. Eine Krähe hüpfte auf einen Ast, wo die Maske zuvor gewesen war, putzte ihr Gefieder, wandte sich um und schaute ihn mit einem kleinen, leuchtenden Auge an. » Symbolträger! « , krächzte sie. » Symbolträger! «
    Kalan starrte sie erschöpft an. » Was? « , sagte er. Doch der Vogel krächzte noch einmal und flatterte dann davon. » Was soll das heißen? « , fragte Kalan, dieses Mal noch leiser, weil er nur zu sich selbst sprach.
    » Kannst du dir das nicht denken? « , fragte eine bekannte Stimme über seinem Kopf. Er sah hinauf und sah Yorindesarinen, die auf ihn hinunterblickte. Eine Krone aus Sternen blinkte hell in der dunklen Korona ihrer Haare. Ihre Rüstung bestand aus brüniertem Silber. Sie schwebte im Schneidersitz zwischen zwei großen Bäumen. Hinter ihrem Kopf konnte er den klaren Himmel sehen. Dort war gerade noch undurchdringliches Dickicht gewesen.
    » Ihr seid eigentlich nicht hier, oder? « , fragte er.
    » Eigentlich nicht « , stimmte sie zu. » Jedenfalls nicht so wie du. « Ihr Lächeln war genauso, wie er es in Erinnerung hatte – warm und freundlich, das Grinsen einer Kameradin. » Du hast dich sehr weit in das Tor vorgewagt, junger Kalan, und das ist nicht mein Wald. Er ist viel wilder, älter und stärker. Sogar ich habe Schwierigkeiten, meinen Willen hier durchzusetzen. «
    Kalan rieb sich mit der Hand über die Stirn. » Aber Ihr könnt dafür sorgen, dass er mich gehen lässt? « , fragte er.
    » Das ist nicht einfach « , antwortete die Heldin, » es sei denn, er ist dazu bereit. Doch ich glaube, ich kann ihn überreden. Außerdem habe ich Hilfe herbeigerufen. « Sie legte den Kopf schief, als ob sie auf etwas lauschte, das er nicht hören konnte. » Ja « , murmelte sie, » ich weiß. Ihr seid uralt und tief verwurzelt und mögt es nicht, gestört zu werden. Doch jetzt ist die Jagd losgelassen, und der Jagdmeister ist ebenfalls erwacht. « Sie sah wieder hinunter auf Kalan. » Diese Dinge sind seit sehr langer Zeit nicht mehr geschehen, und der Wald sieht, dass du daran einen Anteil gehabt hast. «
    Kalan bewegte sich. » Der Jagdmeister hat das auch gesagt « , gab er zu. » Er sagte mir, dass das mit dem Ring zu tun hat, den Ihr mir gegeben habt. Er nannte ihn das Symbol und meinte, dass ihn Terennin höchstpersönlich vor unvorstellbar langer Zeit hergestellt habe. « Er

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