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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Flechten und Moos überzogen, die Überreste irgendwelcher unheimlicher Tiere waren, die hierhergekrochen, verendet und schließlich versteinert waren. Sie hatte schon andere Ruinenfelder gesehen – alte Gemäuer stürzten immer wieder mal ein oder wurden geschleift, und die Nachbarn nutzten sie dann als Steinbrüche, um ihre eigenen Häuser auszubessern oder zu erweitern oder Mauern zu errichten. Hier war nichts dergleichen geschehen. Wer auch immer früher in den verlassenen Hütten gewohnt hatte, er hatte nicht gewagt, auch nur einen Stein des alten Klosters anzurühren.
    »Die Menschen, die hier gelebt haben … was mag aus ihnen geworden sein?«, fragte Alexandra.
    Wenzel, der von seinem Ausguck heruntergeklettert war und sich die Hände an seinem Mantel abwischte, zuckte mit den Schultern.
    »Niemand weiß, was aus den Leuten geworden ist, nachdem die Mönche das Kloster verlassen haben und nach Braunau umsiedelten … nach dem Massaker. Als unsere Väter hierher zurückkehrten, war alles bereits wüst, und die Einzigen, die hier noch vor sich hin vegetierten, waren Aussätzige. Der ganze Landstrich war abgesperrt worden. Vielleicht hat der Aussatz sie alle dahingerafft. Tatsache ist, dass wir hier ganz allein sind.«
    »Bist du sicher?« Sie sah sich fröstelnd um.
    Die Frage war nicht ängstlich gemeint gewesen, und er schien sie auch nicht so aufgefasst zu haben. »Hier sind nur wir und die Toten«, sagte er.
    Zwischen den Steinhaufen führten zum Teil verschüttete Pfade hindurch. Sie folgten den verschlungenen Wegen. Alexandra hatte das Gefühl, dass aus den dunklen Spalten, Höhlen und Klüften in den zusammengesackten GebäudenAugen herausspähten und Blicke ihnen folgten, die nichts Menschliches an sich hatten. Die Außenmauern der Kirche erhoben sich über einem unbegehbaren Wust aus Dachbalken, Schindeln und Steinen, der das Kirchenschiff teilweise mannshoch bedeckte. Die gesamte Mauer oberhalb der Fenster musste nach innen gestürzt sein, die oberen Fenstersimse waren verschwunden, die Mauerstücke zwischen den Fenstern griffen wie Krallen in die leere Luft.
    Sie blickten durch die weite Öffnung, in der früher das Kirchenportal gewesen sein musste. Wenzel schüttelte den Kopf.
    »Wenn das alles runtergekommen ist, nachdem unsere alten Herren die Teufelsbibel hier versteckt haben, dann ist sie besser geschützt als unter dem Hintern des Papstes.«
    Alexandra musste gegen ihren Willen lachen. »Wie kommst du denn auf diesen Vergleich?«
    »Mir fiel gerade ein, wie Adam Augustýn damals den fetten Sebastian Wilfing genarrt hat mit dem alten Geschäftsbuch, das er in Izabelas Wiege versteckt hatte …«
    Alexandra atmete tief ein. »Wir haben Sebastian wiedergetroffen. In Würzburg.« Sie schauderte. »Es gibt Feinde, die laufen einem ein Leben lang nach.«
    »Ist er an der ganzen Situation …?«
    »Natürlich. Ihm hatten wir doch stets die größten Schwierigkeiten zu verdanken, oder nicht?«
    Wenzel wandte sich ab und musterte die verwüstete Kirche. »Da ist eine nahezu freie Stelle. Bringen wir die Pferde hinein und fangen wir hier an. Vielleicht entdecken wir irgendwelche Spuren.«
    »Teilen wir uns auf«, schlug Alexandra vor, obwohl ihr der Gedanke, allein auf diesem riesigen Friedhof herumzusuchen, eine Gänsehaut verursachte. »Geteilte Arbeit heißt doppelte Schnelligkeit.«
    »Na gut. Aber bleiben wir in Rufweite, ja?«
    »Natürlich, ehrwürdiger Vater.«
    »Hör auf, mich so zu nennen.«
    Sie trat vor ihn hin, nahm seine Hand, und dann küsste sie ihn sanft auf den Mund. »Wir haben noch so viel zu klären«, flüsterte sie.
    »Ich habe dir schon gesagt, dass ich …«
    »Später«, sagte sie. »Später, Wenzel. Lass uns diese Geschichte zu Ende bringen!«
    »Schön. Ich fange hier an.«
    »Ich nehme mir das vor, was vom Haupttrakt des Klosters übrig geblieben ist.«
    »Wenn du das Gefühl hast, dass irgendetwas wackelt oder unsicher ist …«
    »… renne ich kreischend hinaus und flehe dich um Hilfe an.«
    »Alexandra!«, sagte er, und sie erkannte, dass sie seine Sorge nicht auf die leichte Schulter nehmen durfte.
    »Ich passe schon auf mich auf.«
    »Ich verlasse mich darauf.«

    Der Eingang in den Klosterbau war wie der Eintritt in eine Höhle. Auch hier fehlte die Tür – sie musste aus Holz und daher brennbar gewesen sein. Die Türangeln waren aus der Mauer herausgestemmt worden. Es war ein Beweis, dass hier doch Menschen gelebt hatten – verzweifelte Menschen, deren tägliches

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