Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
genossen hatte, die man Volmar in diskreten Umschlägen überreicht hatte.
Und draußen, in der Welt, plünderten Franzosen, Schweden und Kaiserliche ihnen verbündete und verfeindete Fürstentümer gleichermaßen, starben die Menschen unter den Händen der Soldaten, verhungerten, verendeten an der Pest und der Cholera oder brachten sich selbst um, weil das Elend zu groß war. Ein ganzes Reich versank im Grauen eines Krieges, der nicht enden konnte, und es war, als ob es niemals etwas anderes gegeben hätte als diesen Krieg und auch niemals so etwas wie die Hoffnung auf den Frieden.
Fabio stand auf, um sich auf den ungeliebten Weg in den Hinterhof seines Logis zu machen, wo ein klappriger Abort sich an die Pferdeställe lehnte und vergeblich versuchte, von der dumpfen Wärme der Pferdeleiber zu profitieren, als einer seiner Helfer sich zur Tür hereinschob.
»Monsignore, empfangen Sie heute noch?«
Fabio kniff die Beine zusammen und fragte: »Warum, wer hat sich angesagt?«
»Ein Mitglied der Societas Jesu aus Rom, Monsignore. Er heißt Pater Nobili.«
»Kennen wir den Mann?«
Der Assistent schüttelte den Kopf.
»Soll warten«, sagte Fabio. »Ich muss mal.«
»Entschuldigen Sie, Monsignore«, sagte eine heisere Stimme aus dem Flur vor seinem Arbeitsraum, »aber meine Botschaft hat Priorität.«
Priorität vor dem Entleeren meiner Blase? , dachte Fabio. Das wollen wir doch mal sehen …
Doch bevor er es noch aussprechen konnte, drängte sich der ungebetene Besucher zur Tür herein. Der Helfer machte eine knappe Verbeugung und verschwand.
Entsprechend dem jesuitischen Brauch trug der Mann keinen Ordenshabit, sondern einen langen schwarzen Mantel, der in fein gelegten Falten um seinen Körper wallte und davon erzählte, dass sein Träger sich viele Längen Stoff leistenkonnte. Außerdem hatte er einen halbhohen, ebenso schwarzen, dreispitzigen Hut ohne Krempe aufgesetzt – und da neunzig von hundert Angehörigen der Societas Jesu, die man traf, ebenso gekleidet waren, konnte man durchaus von einem Ordenshabit sprechen, wenn auch nicht offiziell.
Der Jesuit nahm den Hut ab, schüttelte die Nässe aus seinem Mantel und blickte Fabio finster ins Gesicht. Dann verzerrten sich seine Züge plötzlich, und eine gewaltige Niesattacke fügte dem theatralischen Auftritt reichlich Schaden zu.
»Was für ein scheußliches Wetter«, krächzte der Jesuit, nachdem er sich die Nase geputzt und sich ausgiebig geräuspert hatte.
»Wem sagen Sie das?«, seufzte Fabio und machte Anstalten, um den Mann herumzugehen. »Sie entschuldigen mich, Pater Nobili.«
»Warten Sie, warten Sie!«
»Das kann doch wohl ein paar Augenblicke …«
»Nein, ich muss sofort weiter. Es ist dringend.«
»Das ist mein Anliegen auch, glauben Sie mir!«
»Ich bin in direktem Auftrag des Pater Generalis unterwegs!«
Fabio, der ahnte, dass er den Mann erst loswürde, wenn dieser seine Angelegenheit erledigt hatte, nickte resigniert. Während der erkältete Jesuit erneut ein riesiges Taschentuch bemühte (es war schwarz, bei allen Heiligen!), versuchte Fabio, sowohl den Schmerz in seinem Unterleib als auch das plötzliche Klopfen seines Herzens zu unterdrücken. Er hatte Mitglieder des Ordens der Gesellschaft Jesu noch nie anders als würdevoll, gemessen und vor allem als vorgebliche Herren jeglicher Situation erlebt. Pater Nobili jedoch war, was das betraf, ein ungewöhnlicher Vertreter der Societas Jesu. Bei näherem Hinsehen war sein Mantel schmutzig, der Hut wirkte, als hätten ihn nervöse Hände mehr als einmal zerknautscht,die Wangen des Mannes waren unrasiert, das kurz geschnittene Haar ungewaschen und struppig.
»Lange unterwegs gewesen?«, fragte Fabio beinahe mitleidig.
»Durchgeritten«, sagte Pater Nobili nach einem letzten Fanfarenstoß in sein Taschentuch.
»Geritten!? Aus Rom?«
»Ein Wagen wäre zu langsam gewesen. Monsignore, was ich Ihnen nun sage …« Pater Nobili sah sich um, als wolle er die Schatten mit den Augen durchdringen.
»Wir sind allein«, sagte Fabio und fragte sich zum ersten Mal, ob es wirklich stimmte. Immerhin war er das ranghöchste Mitglied der päpstlichen Delegation, und vielleicht bespitzelte man ihn ja schon seit Jahren …? Er bemühte sich, den Gedanken abzuschütteln. Pater Nobilis Nervosität schien ansteckend zu sein – so wie es sein verdammter Schnupfen wahrscheinlich auch war. Fabio glaubte beim Missklang der erkälteten Stimme seines Besuchers schon das erste Kratzen im Hals zu
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