Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
ließ den Kopf hängen.
»Da hast du dein eigenes Feuer, du verkommenes Stück«, murmelte er. »Es verbrennt dir die Eingeweide. Und trotzdem sollte auch einer wie du nicht so gehen müssen.«
Ein langer, gurgelnder Atemzug entwich Caspars weit aufgerissenem Mund. Ein Krampf verrenkte ihn … noch einer … dann sank er in sich zusammen und sah von einem Augenblick zum anderen aus, als wäre er nur noch die leere Decke, in der er seine Jahre als Krüppel verbracht hatte. Der Geruch von frischen Fäkalien und heißem Urin stieg von ihm auf. Der Schaum quoll weiterhin aus ihm heraus, doch es konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, dass er tot war. Sein rechter Arm fiel zur Seite.
Andrej hielt sich eine Hand vor den Mund. »O Gott, Cyprian, schau doch …«, würgte er hervor.
Cyprian nickte grimmig.
Der rechte Arm Caspars war ein verdorrter Ast, der Arm einer Mumie, die Klaue eines Toten. Die Haut war schwarz und ledrig, die Knochen zeichneten sich darunter ab. Die Hand war zur Faust geballt und sah wie die schwarze Pfote eines Affen aus. Die letzten beiden Finger waren in die Handfläche gekrümmt, der Daumen nach innen gezogen. Über ihm lagen Mittel- und Zeigefinger wie eine Klammer aus Knochen und Sehnen. Man konnte sich vorstellen, wie diese Hand, als sie noch gesund gewesen war, zum Schwur erhoben gewesen war, die beiden ersten Finger in die Höhe gereckt. Die Fingernägel aller Finger waren so lang, dass sie wie verdrehte Girlanden um die Hand gewickelt waren. Die Nägel von Ring- und kleinem Finger waren durch die Hand hindurchgewachsen und ragten aus dem Handrücken heraus.
Cyprian seufzte und streckte eine Hand aus. Andrej zog ihn daran in die Höhe, ohne darüber nachzudenken. Schweigend wandten sie sich ab und stapften hinaus. Hinter sich hörte Andrej das Trippeln der Rattenpfoten, als sich das graue Heer um den Leichnam zusammenzog, um nachzusehen, ob nicht etwas daran noch genießbar war.
23.
Es schien Andrej, als seien Stunden in dem alten Refektorium vergangen; er war erstaunt, dass die Glocken erst die Vesper schlugen, als sie sich auf den Weg zurück zur Kommende der Kreuzherren vom Roten Stern machten. Der Ordensmeister würde es nicht gern sehen, aber er würde ihnen die Gastfreundschaft nicht versagen; vermutlich lag er ohnehin schnarchend in seiner Kammer und war in seinem Rausch für die Widrigkeiten der Welt nicht zugänglich.
»Was glaubst du, wo wir den Jungen jetzt finden?«, fragte er zuletzt.
»Finden?«, wiederholte Cyprian. »Es gibt nicht mal den kleinsten Anhaltspunkt, wo man mit der Suche beginnen sollte. Der Junge könnte überall sein. Er könnte immer noch in Eger sein. Er könnte in Wien sein …«
»Er könnte in Rom sein«, sagte Andrej.
Cyprian trat gegen den Boden. »Verdammt nochmal!«, sagte er.
»Du bist wie ich davon überzeugt, dass die Jesuiten, die damals dem Prozess beiwohnten, ihn mitgenommen haben. Welch anderen Grund sollte es sonst haben, dass einer von der Societas Jesu hier herumgeschnüffelt hat? Und ich gehe jede Wette ein, dass sie ihn in ihre Zentrale nach Rom gebracht haben. Das ist sechzehn Jahre her, Cyprian. Aus dem Jungen von damals dürfte ein erwachsenes Mitglied der Societas Jesu geworden sein.«
Sie sahen sich an.
»Wenn er den Patres damals erzählt hätte, was er von Buh über die Teufelsbibel erfahren hat, würden die Kerle schon lange danach suchen. Dass sie es nicht tun, weist darauf hin, dass er geschwiegen hat«, sagte Cyprian.
»Oder dass Buh ihm nichts erzählt hat.«
Cyprian ignorierte den Einwand, und Andrej hielt seineAussage auch nicht für brillant genug, um sie zu wiederholen.
»Warum hat der kleine Bursche den Jesuiten nichts gesagt? Was hat er vor?«
»Was immer er vorhat … und ich weiß genau, was du denkst, Cyprian, weil ich dasselbe denke … er hat es sechzehn Jahre lang nicht verwirklicht.«
»Wen die Teufelsbibel ruft, der folgt ihrem Ruf«, murmelte Cyprian. »Vielleicht hatte er einfach nur so lange keine Gelegenheit, zu antworten.«
Sie sahen sich erneut an und drehten sich dann wie auf Kommando um, um in die Richtung zu blicken, in der das ehemalige Dominikanerkloster lag. Zweimal in ihrem Leben hatten sie die Teufelsbibel bisher rufen hören; und die Antworten hatten jedes Mal so ähnlich ausgesehen wie das, was jetzt auf dem Boden des Refektoriums lag und von den Ratten angefressen wurde.
»Wenn es nicht zu unoriginell wäre, würde ich wiederholen, was du heute früh im Wald bei Buhs Grab gesagt
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