Die Erbin Der Welt erbin1
ihr vor, sich enterben zu lassen, um sich von dem Siegel zu befreien. Und wir haben sie auf deinen Vater angesetzt.«
Irgendwas in meiner Brust schnürte mir die Luft ab. Ich schloss meine Augen. So viel zum Thema der märchenhaften Romanze meiner Eltern.
»War sie ... sofort einverstanden, für euch ein Kind auszutragen?«, fragte ich. Meine Stimme klang selbst in meinen Ohren sehr leise, aber es war still im Raum. »Haben sie und mein Vater mich für euch ... gezüchtet?«
»Nein.«
Ich konnte ihm keinen Glauben schenken.
»Sie hasste Dekarta«, fuhr Nahadoth fort, »aber sie war immer noch sein Lieblingskind. Wir haben ihr nichts von Enefas Seele oder unseren Plänen erzählt, weil wir ihr nicht trauten.«
Mehr als verständlich.
»Also gut«, sagte ich und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. »Sie traf meinen Vater, der einer von Enefas Anhängern war. Sie heiratete ihn, weil sie wusste, dass es ihr helfen würde, ihr Ziel zu erreichen. Außerdem wusste sie, dass man sie wegen der Heirat aus der Familie werfen würde. Das befreite sie von dem Siegel.«
»Ja. Und es diente als Test ihrer Absichten, denn es bewies uns, dass sie es ernst meinte. Sie erreichte außerdem zum Teil ihr Ziel: Als sie ging, war Dekarta am Boden zerstört. Er trauerte, als ob sie gestorben wäre. Sein Leid schien sie zu erfreuen.«
Das verstand ich. Das verstand ich so gut.
»Aber dann ... dann hat Dekarta den Wandelnden Tod benutzt und wollte damit meinen Vater töten.« Ich sprach langsam. Es war schwer, dieses komplizierte Gebilde zusammenzufügen. »Er muss meinen Vater dafür verantwortlich gemacht haben, dass sie fortging. Vielleicht hat er sich auch eingeredet, dass sie nach dem Tod meines Vaters zurückkommen würde.«
»Dekarta hat den Tod nicht auf Darr losgelassen.«
Ich versteifte mich. »Was?«
»Wenn Dekarta Magie ausführen will, dann benutzt er uns. Keiner von uns hat die Plage über dein Land gebracht.«
»Aber wenn ihr nicht ...«
Nein. O nein.
Es gab außer den Enefadeh noch eine Quelle der Magie in Ely- sium. Noch jemand, der die Macht der Götter befehligen konnte, wenn auch in abgeschwächtem Maße. Der Tod hatte in dem Jahr nur ein Dutzend Menschen in Darr getötet, was — gemessen an normalen Umständen — nur einen kleinen Ausbruch bedeutete.
»Viraine«, flüsterte ich. Meine Hände ballten sich zu Fäusten. »Viraine.«
Er hatte den Märtyrer so überzeugend gespielt; den Unschuldigen, der von meiner intriganten Mutter ausgenutzt worden war. In der Zwischenzeit hatte er versucht, meinen Vater umzubringen, und gewusst, dass sie Dekarta dafür verantwortlich machen würde und nicht ihn. Er hatte in den Fluren wie ein Geier gewartet, als sie kam und Dekarta um das Leben ihres Mannes anflehte. Vielleicht hatte er sich hinterher zu erkennen gegeben und ihr gegenüber Dekartas Ablehnung bedauert. Um den Grundstein dafür zu legen, sie zurückzugewinnen? Ja, das passte zu ihm.
Und dennoch war mein Vater nicht gestorben. Meine Mutter war nicht nach Elysium zurückgekehrt. Hatte Viraine ihr all diese Jahre nachgetrauert und meinen Vater und mich gehasst, weil wir seine Pläne durchkreuzt hatten? War Viraine derjenige gewesen, der das Kästchen mit den Briefen durchwühlt hatte? Vielleicht hatte er diejenigen, die ihn erwähnten, in der Hoffnung verbrannt, seine Jugendsünde vergessen zu machen. Vielleicht hatte er sie behalten und sich vorgestellt, dass die Briefe noch eine Spur der Liebe enthielten, die er nie verdient hatte.
Ich würde ihn zur Strecke bringen. Ich würde sehen, wie sein weißes Haar als roter Vorhang in sein Gesicht fiel.
In meiner Nähe erklang ein Geräusch, als ob Kieselsteine auf dem harten Elysiumbaustoffboden vorbeisprängen. Oder die Spitzen von Klauen ...
»Welch Zorn«, hauchte der Lord der Finsternis, und seine Stimme war voller tiefer Schluchten und Eis. Und plötzlich war er sehr, sehr nah. Genau hinter mir. Wenn er mich berührte, würde ich schreien. »Oh, ja. Befiehl mir, süße Yeine. Ich bin deine Waffe. Sag nur ein Wort, und ich werde den Schmerz, den er mir heute Abend zufügte, gnädig erscheinen lassen.«
Mein Ärger war verschwunden, weggefroren. Langsam atmete ich tief ein, dann noch einmal, um mich zu beruhigen. Kein Hass. Keine Angst vor dem, was aus dem Lord der Finsternis dank meiner Unachtsamkeit geworden war. Ich fixierte meine Gedanken auf die Finsternis und das Schweigen und antwortete nicht. Ich wagte es nicht.
Nach einer sehr langen Weile
Weitere Kostenlose Bücher