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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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Sachen gepackt hatte.
    „Ich verabschiede mich“, verkündete Dr. Fallon, „Ich werde nicht zurückkommen, egal, wie sehr Sie mich anflehen, bis Sie Ihre Sünde bekennen und …“
    „Was geht hier vor sich?“
    Jane und Emily drehten sich zur gleichen Zeit zur Tür um. Gütiger Himmel. Das war es, was ihnen jetzt noch gefehlt hatte. Onkel Titus war ins Zimmer gekommen. Er schaute sich verwirrt um – zu Dr. Fallon, der einen Weidenkorb schwenkte, aus dem es nach Säure roch, dann zu den Banknoten, die er in der Hand hielt. Er blickte Emily an, die ihn gewinnend anlächelte.
    „Mädchen“, wiederholte Titus. „Was geht hier vor sich?“
    „Dieses Haus“, rief Dr. Fallon. „Dieses Haus … Es ist ein Pfuhl heidnischer Ruchlosigkeit. Man hat mich angelogen, ich bin verführt worden …“ Seine Augen richteten sich auf die Banknoten in seiner Hand, und er presste sie sich an die Brust. „Man hat mich bestochen“, erklärte er heiser. „Ich wasche meine Hände in Unschuld und will fürderhin nichts mehr mit diesem Haushalt zu tun haben. Mögen Sie alle zur Hölle fahren.“
    Damit nahm er seinen Korb und marschierte aus dem Raum. Es war nur gut, überlegte Jane, denn wäre er geblieben, hätte er am Ende Onkel Titus erklärt, dass er den letzten Satz durchaus wörtlich meinte.
    Ihr Onkel starrte ihm in verblüfftem Schweigen hinterher. Er wartete, bis er die Haustür ins Schloss fallen hörte, ehe er sich wieder zu Jane und Emily umdrehte.
    Das hier, dachte Jane, würde schwierig werden, sehr schwierig.
    „Ich war in meinem Zimmer“, begann sie vorsichtig. „Als ich plötzlich etwas hörte … als ob jemand schimpfte.“
    „Das stimmt“, pflichtete Emily ihr bei. „Ich saß hier und wartete auf den Anfall, damit er seine Methode ausprobieren kann, als er plötzlich mit dem Finger auf mich zeigte und dazu lauter haltlose und furchtbare Anschuldigungen ausstieß.“
    Emily konnte besser lügen, daher überließ Jane ihr das Feld.
    „Ich weiß nicht, was ihn dazu gebracht hat“, erklärte Emily aufrichtig. „Er hat einfach immer weiter … mich angeschaut und davon geredet, dass ich ihn verführte. Aber das habe ich nicht. Ich saß einfach nur hier. Ich habe überhaupt nichts getan.“
    Es war eine gute Geschichte, fand Jane. Emily war ungewöhnlich hübsch, und selbst Titus wusste, was das hieß. Einen Moment lang nickte Titus verständnisvoll.
    „Oh“, sagte er dann. „Ich … ich …“ Aber er behauptete nicht, dass er es verstand. Er runzelte die Stirn und rümpfte die Nase. „Warum hatte er diese Banknoten in der Hand?“
    „Wer weiß, wo er die herhatte?“, sagte Emily. „Er hatte bereits begonnen, gegen Ba‘al zu wettern. Vermutlich wollte er auch noch Mammon entsagen.“
    Das war zu viel. Als Emily das sagte, sah sie Jane an. Sie wechselten einen Blick – einen unseligen Blick, den sie niemals einem anderen Menschen hätte beschreiben können. Es war ein Blick, den nur Schwestern verstehen konnten, listig und glücklich und wütend, alles in einem.
    Es war zu viel. Sie brachen beide in verräterisches Gelächter aus.

    „ J ANE“, SAGTE IHR O NKEL kopfschüttelnd. „Jane, Jane, Jane. Was soll ich nur mit dir machen?“
    Statt ihm ihre Sicht der Dinge darzulegen – das hatte heute schon genug Probleme verursacht –, blickte Jane sich in Titus‘ Arbeitszimmer um.
    Sie wusste gar nicht genau, warum er den Raum „Arbeitszimmer“ nannte. Es war schließlich nicht so, als arbeitete er darin. Er hatte Studenten, aber mit denen traf er sich äußerst selten hier. Nur wenn er von einer Idee fasziniert war, die er in einem Vortrag gehört hatte, hielt er sich längere Zeit in diesem Zimmer auf. Kurz nachdem sie bei ihm eingezogen waren, hatte er monatelang von nichts anderem geredet als von der Interpretation der Odyssee irgendeines Gelehrten. Ein andermal hatte ihn die Argumentation eines Gastprofessors zu Arbeit und Kapital gefangengenommen. Er hatte fleißig gelesen und seine eigenen Gedanken dazu zu Papier gebracht. Aber letztendlich erlahmte sein Eifer immer, und er wandte sich dem nächsten Gegenstand zu, der sein Interesse erregte. Es war egal, um welches Thema es ging. Er nahm immer alles, was er tat, zu ernst und bildete sich ein, dass seine Beschäftigung damit, so unbedeutend sie auch war, lebenswichtig für den intellektuellen Fortbestand der Gemeinschaft sei.
    Ihre Diskussionen verliefen immer nach dem gleichen Muster. Sie konnte gar nicht mehr zählen, wie oft sie bereits

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