Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
wirkte halsstarrig.
„Ich wusste es nicht“, wiederholte Jane. „Ich wusste überhaupt nichts. Sie haben mich ohne Instruktionen oder irgendeine Vorbereitung auf die Gesellschaft losgelassen, und jetzt wagen Sie es, mir vorzuhalten, dass ich nicht gut angekommen bin?“
„Jane“, sagte ihr Onkel, „ich möchte diesen respektlosen Unsinn nicht weiter hören.“
Sie öffnete noch einmal den Mund, um etwas zu sagen, ehe ihr einfiel, dass es nichts nützen würde. Er hatte sich eine Meinung gebildet. Und trotz ihrer zornigen Worte, trotz der Art, wie alles begonnen hatte – es war nun einmal wahr, dass sie jetzt zu einem großen Teil die Verantwortung für ihren Ruf trug. Sie hatte diese Wahl getroffen. Größtenteils.
„Ich denke“, sagte Titus, „dass ich dir noch eine Chance geben werde. Aber jeder Impuls in mir warnt mich davor. Ich werde nicht zulassen, dass deine Schwester deinem Beispiel folgt. Jedoch …“ Er seufzte.
„Wenn Sie sie nur ein wenig heraus ließen, Sir. Sie ist …“
Er sandte ihr einen Blick. „Genug davon. Sie ist zu zart für die Welt dort draußen. Ich gebe dir noch eine Chance, Jane. Verschwende sie nicht, bevor du noch diesen Raum verlassen hast.“
Sei still, Jane. Lerne endlich, wann du still sein musst . Sie schloss den Mund und schluckte ihre Einwände herunter. Sie schmeckten bitter.
„Benimm dich anständig, Jane“, sagte er ruhig. „Hör auf zu widersprechen. Hör auf, deine Schwester zu beeinflussen, das Falsche zu tun. Gib dir Mühe, einen Mann zu finden. Du bist vielleicht etwas zu füllig, aber du hast Geld, und ich denke, das reicht. Und wenn ich jemals wieder hören muss, dass du einen weiteren Arzt bestochen hast …“ Er sprach nicht aus, was dann wäre.
„Das werden Sie nicht“, gelobte Jane. „Sie werden kein Wort davon hören, das verspreche ich.“
Ihm würde nichts zu Ohren kommen. Nächstes Mal würde sie geschickter vorgehen.
Vierhunderteinundsiebzig Tage noch. Wie sollte sie nur eineinhalb Jahre lang diese Scharade aufrechterhalten? Sie fühlte sich aufgerieben, erschöpft und unendlich müde.
„Ja, Onkel“, sagte sie. „Ich tue alles, was Sie sagen.“
Kapitel 7
A N DIESEM A BEND fand eine Gesellschaft statt, eine Veranstaltung für junge Herren und wunderhübsch herausgeputzte junge Damen. Oliver war gekommen, wusste aber nicht wirklich, warum er hier war. Um Miss Fairfield zu sehen, vermutete er, aber der Grund dafür …
Er würde nicht auf Bradentons Angebot eingehen. Er würde einen anderen Weg finden, den Mann auf seine Seite zu bringen. Bradenton konnte vernünftig sein.
Was er verlangt, ist aber nicht vernünftig.
Oliver ignorierte die Stimme in seinem Kopf. Er hatte gesehen, wie Miss Fairfields Gesicht wachsbleich geworden war, als das Hausmädchen ihr von dem Doktor der Galvanik erzählt hatte. Er hatte recht. Womit auch immer sie fertig werden musste, es war schlimm. Bradenton würde Vernunft annehmen, und damit wäre die Sache erledigt.
Was aber, wenn er das nicht tut?
Oliver schüttelte den Kopf. Er würde.
Der Veranstaltungssaal war kleiner als die meisten Ballsäle in London. Aber es waren auch viel weniger Leute hier – nicht mehr als vielleicht ein Dutzend Paare und es wurden nur noch wenig mehr erwartet. Alle waren bereits umhergeschlendert und waren mit einander bekannt gemacht worden. Ein paar Damen hatten Oliver verstohlen Blicke zugeworfen – seit bekannt geworden war, dass er der Sohn eines Herzogs war, hatte das Interesse an ihm leicht zugenommen. Er hatte sich halbherzig mit ihnen unterhalten. Vielleicht hätten ihm die Gespräche sogar Spaß gemacht, wenn er nicht auf Miss Fairfield gewartet hätte.
Es war gar nicht so sehr, dass er sie sehen wollte.
Sicher, sie war nett genug anzusehen – oder wenigstens die Teile von ihr, die sie nicht in schreckliche Kleider hüllte. Vorhin im Buchladen hatte er ihre Unterhaltung genossen – so sehr, dass er gar nicht mehr auf das Migräne erzeugende Muster ihres Tageskleides geachtet hatte.
Und jetzt stand er hier und wartete auf ihre Ankunft. Er wartete mit solcher Spannung auf sie, dass es schlichte Neugier überstieg.
Gerade, als er die Hoffnung aufgeben wollte, betrat sie den Raum.
Oliver sah sie sofort und war so verblüfft, dass er sich nicht vom Fleck rühren konnte. Mehrere Sekunden lang bemerkte sie niemand. Damen redeten, Herren boten ihnen den Arm. Gläser wurden an die Lippen gehoben und geleert.
Dann blickte ein Mann auf, dann noch einer.
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