Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
abgestaubt worden wäre.“
Oliver ballte die Hände zu Fäusten. Hör auf, mit dem Feuer zu spielen, du dummes Ding, bevor du dich verletzt.
„Gütiger Himmel“, bemerkte eine Frau unweit von ihm. „Selbst die Handschuhe passen farblich zum Rest.“
Sebastian hatte gesagt, die Natur suchte sich die grellsten Farben zur Warnung aus. Friss mich nicht, ich bin giftig . Wenn das der Fall war, dann hatte Miss Fairfield soeben verkündet, sie sei der giftigste Schmetterling, der je die vornehmen Salons von Cambridge geziert hatte. Sie flatterte durch den Saal und zog eine Spur benommener Mienen und grausamen Kicherns hinter sich her.
Als sie schließlich bei ihm ankam, hatte er Kopfschmerzen. Zur Hölle, er brauchte Bradentons Stimme für die Abstimmung gar nicht. Er hätte sie von sich gestoßen, nur damit er nicht alle lachen hören musste.
„Mr. Marshall“, sagte sie.
Er nahm ihre Hand und atmete ein. Und vielleicht war es das, was ihm half, sich zu fassen. In all dem, was fremd war, erkannte er eines wieder – den Duft ihrer Seife, diese besondere Mischung aus Lavendel und Minze. Er verhieß sofortige Linderung und zeigte ihm auf, was er tun musste.
Er hatte ihr versprochen, sie nicht anzulügen. Das war alles, was er jetzt tun musste – nicht lügen.
„Miss Fairfield“, sagte er mit normal klingender Stimme. „Sie sehen heute gut aus.“
In ihren Wangen erschienen Grübchen.
Er ließ den Blick kurz sinken, dann sah er ihr wieder ins Gesicht. „Ihr Kleid hingegen …“ Er holte tief Luft. „Es weckt in mir den Wunsch, einen Mord zu verüben, und dabei halte ich mich für keinen gewalttätigen Mann. Was tragen Sie da?“
„Es ist ein Abendkleid.“ Sie strich sich mit ihren empörend verhüllten Händen über die Hüften.
„Es ist die abscheulichste Rosaschattierung, die ich je gesehen habe. Leuchtet es tatsächlich?“
„Seien Sie nicht albern.“ Aber das Lächeln auf ihrem Gesicht wirkte aufrichtiger.
„Ich fürchte fast, es ist eine Seuche“, fuhr er fort. „Es versetzt alle meine Überlebensinstinkte in Alarmbereitschaft, die behaupten, dass die Farbe ansteckend ist. Ich verspüre den schier unbeherrschbaren Drang, so schnell ich kann, in die andere Richtung zu rennen, damit meine Weste nicht als Nächstes davon befallen wird.“
Sie lachte wirklich und strich sich über die Schulter. „Das gäbe doch eine wunderschöne Weste ab, finden Sie nicht? Aber machen Sie sich keine Sorgen, die Farbe ist nicht ansteckend. Noch nicht.“
„Wie nennt sie sich?“
Sie lächelte. „Fuchsia.“
„Das klingt sogar unanständig“, erwiderte Oliver. „Sagen Sie, was für ein Teufelszeug ist dieses Fuchsia?“
Sie schaute sich um, vergewisserte sich, dass niemand nah genug stand, um sie zu hören. „Es ist ein Farbstoff“, erklärte sie, als sei das nicht offensichtlich. „Ein neuer, synthetischer, der aus einer Sorte Kohlenteer hergestellt wird, glaube ich. Irgendein brillanter Chemiker mit einem Talent für Experimente und keinem Sinn für Anstand und Würde hat ihn erfunden.“
„Er ist …“ Es gab immer noch keine Worte dafür. „Er ist bösartig“, gelang es ihm zu sagen. „Ehrlich.“
Sie beugte sich vor. „Sie verleumden den Farbton“, flüsterte sie. „Lassen Sie das. Ich mag ihn wirklich. Und ich wette, alle anderen würden das auch, wenn ihn jemand anders zuerst getragen hätte.“
Er schluckte. „Vielleicht. Diese andere Person hätte ihn wohl mit mehr Zurückhaltung getragen.“
„Ich habe das eigens anfertigen lassen. Die Handschuhe, die Spitze. Ich habe sogar überlegt, kleine Brillanten in glitzernden Mustern auf das Oberteil nähen zu lassen, aber …“ Sie zuckte vielsagend die Achseln.
„Sie haben entschieden, dass Sie nicht wirklich dafür verantwortlich sein wollen, die gesamte Versammlung mit Blindheit zu schlagen. Danke.“
„Nein, ich habe beschlossen, mir das für das giftgrüne Kleid aufzuheben.“ Sie wackelte mit den Augenbrauen. „Ich muss mir schließlich noch Steigerungsmöglichkeiten offenhalten. Was nützt es, eine reiche Erbin zu sein, wenn man nicht alle dazu bringen kann, sich zu winden?“
Oliver schüttelte nur den Kopf. „Ja, aber …“
„Es ist das Allererstaunlichste. Ich ziehe ein Kleid wie dieses an, und Sie sind der Einzige, der mir ins Gesicht sagt, wie vollkommen scheußlich es ist. Alle anderen haben mir die gekünsteltsten Komplimente gemacht. Hier kommt noch jemand, zweifellos um mich zu der ungewöhnlichen Farbe
Weitere Kostenlose Bücher