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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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zu beglückwünschen.“
    Er schüttelte wieder den Kopf. „Das muss einige Berechnung erfordern, Miss Fairfield. Ganz genau die Grenze auszuloten, wie weit sie gerade noch gehen können, ohne aus dem Saal geworfen zu werden.“
    Sie lächelte. „Keine Berechnung. Sie ertragen mich aus einem Grund, nur einem einzigen Grund allein. Ich nenne es den Erbinnen-Effekt.“
    Der Erbinnen-Effekt. Er musste an früher denken. Vielleicht war es das – das, was zwischen dem hässlichen Geflüster und dem unangenehmen Prickeln in seinem Nacken lag. Ihm gelang ein halbherziges Lächeln.
    „Miss Fairfield, Sie machen mir Angst. Sie und Ihre Garderobe.“
    Sie tippte ihm mit dem Fächer aufs Handgelenk. „Das“, sagte sie, „ist genau der springende Punkt. So kann ich Dutzende Männer auf einen Schlag abschrecken, und das, ohne meinen Mund öffnen zu müssen. Und niemand kann behaupten, es sei nicht sittsam. Ich trage sogar Perlen.“
    Er schaute nach unten. Wenn jemand fragte, betrachtete er selbstverständlich ihre Perlen. Eindeutig ruhte sein Blick auf den Perlen, die in ihrem Ausschnitt so bewundernswert zur Geltung kamen. Überhaupt ihr Ausschnitt – diese zarte Haut, sanft gewölbt. Ihr Busen ließ sogar den Stoff in dem verhängnisvollen Rosa, der ihn umrahmte, verlockend aussehen.
    „Miss Fairfield“, sagte er nach einem Moment der Stille, der ein wenig zu lange währte. „Ich würde Sie zum Tanz auffordern, aber ich fürchte, unsere letzte Unterhaltung wurde jäh unterbrochen.“
    Das Lächeln verschwand langsam von ihrem Gesicht, und ihre Stirn legte sich in feine Sorgenfalten. „Es gibt hier eine Veranda“, sagte sie schließlich. „Da könnten wir hingehen. Es ist ein wenig kalt, aber … Andere Leute gehen auch an die frische Luft. Es sind nicht viele, aber wir sind nicht allein. Wenn jemand fragt, können Sie sagen, Sie hätten der Versammlung einen Gefallen tun wollen. Sie haben sie für eine Viertelstunde von dem Grauen erlöst, mich ansehen zu müssen.“
    Sie lächelte, während sie das sagte. Sie klang vollkommen ernst.
    Und Oliver … Oliver spürte ein Ziehen tief in sich. Er war nicht dieser Mann. Er würde sie nicht bloßstellen. Auf keinen Fall.
    Das wirst du, flüsterte die Stimme in ihm.
    „Sie sind nicht grauenvoll. Ihr Kleid ist es.“

    „ I CH KANN MIR DENKEN “, sagte Mr. Marshall kurze Zeit später, als sie auf der Veranda angekommen waren, weg von dem Gedränge der anderen Gäste, „warum Sie das hier tun.“ Er deutete auf ihr fuchsiafarbenes Kleid.
    Das hatte Jane erwartet. Er schien scharfsinnig zu sein. Ihm würde die Bedeutung dessen, was er mit angehört hatte, nicht entgangen sein. Aber sie schaute nicht ihn an, sondern konzentrierte sich auf das Grau des Portlandsteins der Veranda, die Balustrade mit den blattlosen Bäumen dahinter, die in flackernden Schatten lagen.
    „Ist es Ihre Schwester?“
    „Emily.“
    „Und sie ist krank?“
    „Krank ist nicht das richtige Wort. Sie hat Krampfzustände. Das heißt, sie hat Zuckungen, Anfälle. Anf…“ Sie redete schon wieder zu viel, und sie verkniff sich die ausführlichere Erklärung, die ihr auf der Zunge lag.
    „Es ist nicht Epilepsie?“
    „Manche Ärzte nennen es Epilepsie“, antwortete sie vorsichtig. „Aber sie wurde schon von so vielen untersucht. Das Einzige, worin sie sich alle einig sind, ist, dass sie nicht wissen, wie sie sie von ihren Anfällen heilen können.“
    Er nickte nachdenklich. „Was ich neulich mitbekommen habe, ist demnach das übliche Experiment? Die Ärzte wollen ihr einen elektrischen Schock versetzen?“
    „Das und vieles mehr.“ Es waren zu viele Behandlungsmethoden, um sie alle aufzuzählen. Zu viele, bei denen Jane schon schlecht wurde, wenn sie nur daran dachte. „Sie haben es mit Aderlass, Blutegeln und Tränken versucht, von denen sie sich übergeben musste. Das sind die, über die ich ohne Schwierigkeiten reden kann. Der Rest …“ Wenn sie die Augen schloss, konnte sie immer noch den Gestank verbrannten Fleisches riechen, das Brandeisen auf dem Arm ihrer Schwester sehen. Sie konnte sie immer noch schreien hören. „Von dem Rest wollen Sie nichts hören.“
    „Ihr Vormund, nehme ich an, heißt die Experimente gut. Sie hingegen nicht.“
    „Emily ist dagegen“, erwiderte Jane knapp. „Und daher bin ich es auch.“
    Sie wartete darauf, dass er ihr widersprach, ihr sagte, was Titus immer vorbrachte – dass junge Mädchen einen Vormund hatten, damit jemand dafür sorgte, dass

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