Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
seine. „Es tut mir so leid.“
Er schüttelte den Kopf, als wollte er alte Erinnerungen loswerden. „Ich erzählte meinen Eltern, was er gesagt hatte, dass ich in Gedenken an ihn gehen wollte. Wir haben … geredet. Für mich war eine Ehe arrangiert, aber das Mädchen ist früh gestorben, und sie hatten noch keine neue Braut für mich gesucht. Ich habe sie gebeten, das auch nicht zu tun. Dass ich leichter akzeptiert würde, wenn ich …“
Er machte eine Pause.
„Wenn Sie was?“
„Wenn ich unverheiratet bliebe“, sagte er, ohne zu blinzeln. „Oder wenn ich eine Frau in England fände, statt eine aus Indien mitzubringen. Es war keine schöne Unterhaltung. Meine Eltern haben jahrelang mit mir deswegen diskutiert, aber schließlich gaben sie nach. Trotzdem hofft meine Mutter immer noch, mich mit einem netten Bengali-Mädchen überraschen zu können.“
Emily starrte ihn an. „Für Sie war eine Hochzeit arrangiert, bevor Sie zehn Jahre alt waren?“
„Es ist nicht so, wie Sie denken. Meine Eltern lieben mich. Sie würden nicht wollen, dass ich unglücklich bin. Sie hätten jemanden ausgesucht, den ich würde lieben können, jemanden mit einem Temperament, das zu meinem passt. Das ist ihnen bei meinen Brüdern sehr gut gelungen.“
Wieder schaute er fort, dann nahm er langsam den Hut ab. Er drehte ihn in der Hand.
„Die Post ist langsam zwischen hier und Indien“, bemerkte er schließlich. „Aber ich habe ihnen trotzdem geschrieben und um ihre Einwilligung gebeten.“
Emily schluckte. Sie konnte sich nicht vorstellen, wovon er sprach, worauf er hinauswollte. Sie hatte seine Gesellschaft genossen. Sogar sehr. Aber das …
„Unsere Kinder müssten auch Zeit in Kalkutta verbringen“, teilte er seinem Hut mit. „Sie würde darauf bestehen, die Gelegenheit zu bekommen, sie zu verwöhnen. Meine Mutter, meine ich.“
„Anjan“, hörte Emily sich selbst sagen. „Bitten Sie mich, Sie zu heiraten? Weil ich …“
„Nein, nein, natürlich nicht“, unterbrach er sie. „Dafür ist es viel zu früh. Wir kennen einander noch nicht sehr lange, was für Sie Engländer sehr wichtig ist, wie ich höre. Und meine Eltern haben auch noch nicht geantwortet, was mir wichtig ist. Ich erzähle Ihnen nur eine Geschichte.“
Eine Geschichte . Eine Geschichte. Sie schluckte, versuchte sich die Geschichte vorzustellen, die darauf folgen würde. Es würde kein einfaches Leben werden, das wusste sie. Er sprach kaum darüber, wie er behandelt wurde, aber sie hatte nicht den Eindruck gewonnen, dass die Leute besonders freundlich zu ihm waren. Ganz im Gegenteil. Und das wäre es, worauf sie sich einlassen würde? Das wäre es, was ihre Kinder erleben würden? Sie fühlte sich zu jung für eine Entscheidung dieser Größenordnung. Sie schlang die Arme um ihre Mitte.
„Hier ist auch eine Geschichte“, sagte sie leise. „Ich bin nicht volljährig. Mein Onkel hat mich wegen meiner Anfälle nie in Gesellschaft gelassen. Er wird mich nie heiraten lassen.“ Und vor allem nicht dich , dachte sie, aber sie wollte diese hässlichen Worte nicht aussprechen. „Egal, was geschieht, ich würde warten müssen, bis ich einundzwanzig werde. Und das dauert noch eineinhalb Jahre.“
„Würden Sie das tun?“, fragte er. „Würden Sie erwägen zu warten, wenn wir in einer Geschichte wären?“
Aber sosehr sie es sich auch einzureden versuchte, das hier war kein Entkommen, das hier war keine Geschichte.
„Jeden Tag, an dem wir uns treffen, sage ich mir, dass ich nicht kommen sollte“, erklärte Emily. „Ich habe Angst, mein Onkel findet es heraus, dass er anfängt von mir wie von Jane zu denken. Aber egal, das tut jetzt nichts zur Sache.“ Sie schloss die Augen. „Wie kann ich den Rest meines Lebens planen, wenn ich kaum an das Morgen zu denken wage?“
Er zog sich zurück. „Entschuldigen Sie.“
„Das muss Ihnen nicht leidtun. Es war eine Geschichte und eine rhetorische Frage.“ Sie sah ihn an und fühlte eine Welle der Traurigkeit in sich aufsteigen. „Das Seltsame ist, dass ich glaube, dass ich mich freuen würde, wenn unsere Eltern eine Heirat zwischen uns arrangiert hätten. Ist das nicht komisch? Ich mache mir nur Sorgen, weil ich die Wahl habe.“
Er machte wieder einen Schritt auf sie zu. „Sie haben die Wahl“, sagte er leise. „Ihre Mutter würde Sie lieben. Nachdem wir uns kennengelernt hätten, würde sie Sie alleine aufsuchen. ‚Und, wie habe ich es gemacht?‘, würde sie fragen. ‚Magst du ihn?‘
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