Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
Ein Elternteil, das seinem geliebten Kind ein kostbares Geschenk macht und hofft, dass es Gefallen findet.“
Emily dachte an ihren Vater – den, der sie nicht einmal jedes Jahr besucht hatte. Sie dachte an die Mutter, an die sie sich gar nicht richtig erinnern konnte, die ihre unbequemen Kinder einfach abgeschoben hatte und in ihnen bestenfalls Zuhörer für ihre Klagen über die Eintönigkeit des Landlebens sah, zu dem ihr Ehemann sie gezwungen hatte. Sie dachte an Titus‘ betrübtes Schmollen, als sie und Jane diesen schrecklichen Dr. Fallon mitsamt seinen übelriechenden Gläsern vertrieben hatten.
„Nein“, sagte sie und versuchte, nicht an den Worten zu ersticken. „Das würde nicht passieren. Er würde sagen: ‚Neunzehnjährige Mädchen haben einen Vormund, weil sie selbst keine Entscheidungen treffen können.‘“
Eine Weile sagte Anjan darauf nichts. Dann hob er langsam eine Hand und berührte ganz vorsichtig ihre Wange.
„Das hier ist nicht Teil einer Geschichte“, sagte er. „Das hier ist schlicht die Wahrheit. Wenn er Sie nicht als kostbar betrachtet, dann werde ich das tun.“
Es war nur seine Hand. Es war nur ihre Wange. Ihre Augen brannten. Sie bewegte sich nicht fort, versuchte nicht die Flüssigkeit zurückzuhalten, die ihre Sicht verschwimmen ließ. Sie konnte darauf nichts erwidern, und so blieb sie einfach so bei ihm stehen – lang genug, dass in der Zeit eine Wolke über den Himmel ziehen, ihren Schatten auf sie werfen und langsam weiterziehen konnte, sodass sie wieder im Sonnenschein standen.
„Ich werde Ihre Geschichte in Erwägung ziehen“, sagte Emily heiser. „Trotz all der Schwierigkeiten, die ich sehe, wird es auch viele Vorteile geben.“
Kapitel 13
D ER A BEND MIT B RADENTONS Gesellschaft kam viel zu schnell. Nach ein paar Tagen fieberhafter Planung fand sich Oliver erneut in Bradentons Haus wieder. Dieses Mal jedoch war es voller Verbündeter des Marquis‘ aus dem Parlament, und daher war es in den Räumen viel zu warm. Es waren heute mehr als zwanzig Herren anwesend – eine Ansammlung von Aristokraten, Mitgliedern des Parlaments, alle in Begleitung ihrer Gattinnen.
„Marshall.“ Bradenton trat durch die Versammelten zu Oliver, schaute sich um und beugte sich vor. „Ich muss sagen, ich bin enttäuscht. Enttäuscht und überrascht.“ Seine Stimme war leise, kaum hörbar über dem Stimmengewirr der anderen Gäste. „Alle sind hier, aber Miss Fairfields Herrschaft des Albernen geht ungehindert weiter. Ich hatte mehr von Ihnen erwartet.“
Zu schade, dass Olivers eigene Erwartungen dazwischen gekommen waren. Er lächelte leicht. „Oh ihr Ungläubigen“, zitierte er. „Sie haben heute Abend gesagt, und ich bin entschlossen, heute Abend zu liefern.“
Der Marquis, der den Kopf geschüttelte hatte, hielt inne. „Wirklich?“
Sie waren den Plan Stück für Stück durchgegangen. Durch den Raum fing Oliver Hapfords Blick auf. Er ballte die Hände zu Fäusten und schaute weg.
„Lassen Sie uns einfach sagen“, erklärte Oliver, „dass alles vorbereitet ist. Nach heute Abend wird Miss Fairfield ganz genau wissen, wohin sie gehört.“
„Wunderbar.“ Bradenton lächelte. „Ich wusste, Sie würden sich dazu durchringen. Und tatsächlich, da ist sie schon.“ Er zuckte die Achseln. „Mit dem Wissen, das ich nun habe, kann ich gnädig sein.“ Er trat vor, ein Lächeln auf dem Gesicht. „Miss Fairfield. Wie reizend, dass Sie hier sind.“
Miss Fairfields Antwort ging im Lärm unter, aber Bradenton verbeugte sich und entfernte sich dann.
Oliver näherte sich ihr ein paar Minuten später. „Miss Fairfield“, begrüßte er sie. „Wie geht es Ihnen heute Abend?“ Er kannte die Antwort darauf bereits. Ihre Finger verkrampften sich in nervöser Erwartung. Ihre Augen strahlten angesichts der Möglichkeiten. Er spürte es auch – das, was sie heute Abend erreichen konnten.
Er spürte noch etwas, etwas Stärkeres als Vorfreude, wenn er sie anblickte. Die Lippen, die er nicht geküsst hatte, die Adern an ihrem Handgelenk, die er nicht mit den Fingerspitzen erkundet hatte. Die sanften Rundungen ihres Busens, die nicht länger von schwarzer Spitze bedeckt waren.
Nicht anfassen.
Und daher tat er es auch nicht. Er neigte den Kopf zu ihr, als sei sie eine flüchtige Bekannte, bevor er sie zu den anderen Gästen weitergehen ließ, um mit ihnen zu reden. Sie war nicht sein. Sie waren nur …
Freunde.
Ja, dachte er. Das. Wie waren sie das geworden?
Erst einmal
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