Die Erbin
erregen …«
In Athen wurde Lyda von ihrem Bruder Perikles abgeholt. Weinend fiel sie ihm um den Hals, während Portales sich um das Gepäck kümmerte.
Perikles, einen Kopf größer als sie, schlank, dunkelhaarig, elegant, hübsch, viel mehr nach seiner Mutter als nach Stavros geraten, die fröhlichen Augen stets hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen, hatte sich bislang die üblichen Jet-set-Affären erspart – bis auf eine Liaison mit einem berühmten Pariser Mannequin, an das sich Stavros langsam zu gewöhnen begann, weil sein Sohn ernsthafte Heiratsabsichten äußerte. Perikles redete nicht auf Lyda ein, fragte nicht, tröstete sie aber auch nicht. Dazu war er zu klug. »Das einzige Genie in unserer Familie«, so hatte Stavros ihn einmal mit väterlichem Stolz genannt. »Ich hatte Glück, ich kam zur richtigen Zeit auf die Welt und stand auf der richtigen Seite der Erde. Mein Sohn aber wird alles mit seinem Geist machen!«
»Komm«, sagte Perikles nur. »Wir fliegen sofort weiter nach Sapharin.«
»Und – und Papa …?«
»Papa erwartet dich. Seit er weiß, daß du kommst, läuft er rum, als hätte er einen Luftballon verschluckt.« Er lachte, und auch Lyda verzog etwas das Gesicht. »Er hat alle Verpflichtungen abgesagt. Die ganze Familie ist auf Sapharin.«
»Ich habe Angst, Perikles.«
»Papa gibt dir zu Ehren ein Festessen. Nur für die Familie.«
Von weitem winkte Portales. Alles in Ordnung, hieß das; das Gepäck ist schon auf dem Wege zum Privatflugfeld. Eine Penopoulos wird nicht durch den Zoll geschleust. Wer Penopoulos heißt, dem gehört ja im geheimen auch der Flughafen von Athen …
»Die Maschine wartet«, sagte Perikles. »Ich werde dich selbst fliegen.«
»Du hast den Pilotenschein?«
»In zehn Tagen ist die letzte Prüfung. Aber Luciano läßt mich schon allein fliegen. Heimlich! Als Fluglehrer kann ihn das seine Konzession kosten. Aber das weiß ja keiner. Überm Meer wechseln wir die Plätze.«
»Wenn Papa das erfährt …«
»Der würde Luciano ermorden!« Perikles lachte sein berühmtes jungenhaftes Lachen. Er faßte Lyda um die Schulter und verließ mit ihr durch einen Personalausgang die von Menschen wimmelnde Flughalle. Ein unbeschreibliches Gedränge herrschte hier, ein mühsam gebändigtes Chaos. Der Flughafen von Athen war heillos überlastet und überfüllt.
Eine halbe Stunde später schwebte die zweimotorige Sportmaschine über Athen, umkreiste wie grüßend die Akropolis und nahm dann Richtung auf Piräus, um auf das Meer hinauszubrummen. Hier übernahm Perikles das Steuer, während der Fluglehrer Battista Luciano, ein schweigsamer Sizilianer, der als der beste Fluglehrer im Mittelmeerraum galt und deshalb von Stavros ›gekauft‹ worden war, sich um den Funkverkehr kümmerte. So konnte keiner ahnen, daß ein noch nicht berechtigter Pilot fröhlich vor sich hinpfeifend die schnelle Maschine lenkte. Perikles war ein leidenschaftlicher Flieger, auch hierin ganz anders als sein Vater. Stavros fühlte sich nur auf Schiffsplanken wohl; die Luft, ja sogar die Straße und sein Rolls-Royce blieben ihm verdächtig.
Auf dem kleinen Flugplatz der Insel Sapharin holte sie Tante Andromeda Lakadonis ab, Stavros' jüngere Schwester, Lydas Lieblingstante. Sie war jugendlich mit Hose und Pulli bekleidet und saß in einem offenen Buggy. Auch sie begrüßte Lyda, als käme sie nur von einem Einkaufsbummel zurück. »Steig ein!« sagte Andromeda fröhlich. »Wie war der Flug?«
»Ich bin müde …« Lyda lehnte den Kopf weit zurück. Perikles blieb noch bei dem Flugzeug. Kostas Portales stieg auf dem Rollfeld in einen anderen Wagen. »Ich falle gleich ins Bett.«
»Nicht schwimmen?«
»Vielleicht.« Sie legte die Hand auf Andromedas Arm. »Was ist mit Papa?«
»Er ist unruhig wie vor einem neuen Liebesabenteuer. Deine Zimmer sind wie ein Treibhaus, alles voll Blumen.«
Sie gab Gas, der Buggy flitzte über den kleinen Flugplatz und bog dann in die Straße ein, die zu der zwischen Pinien und Ölbäumen versteckten großen weißen Villa der Penopoulos' führte.
Stavros kam Lyda entgegen mit ausgebreiteten Armen. Er zog sie an sich, küßte sie in seiner unbeholfenen, tapsigen Art, daß es fast weh tat, und putzte ihr die Tränen aus den Augen, als sie plötzlich – gegen ihren festen Willen – doch zu weinen begann.
»Was ist denn, mein Engelchen?« sagte er und drückte sie an sich. »Du bist müde, nicht wahr? Der lange Flug! Schwimm erst mal, das tut gut. Und nachher
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