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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
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selben Tag: Kalbries parieren, mit Salz und Pfeffer würzen, in ein wenig Butter goldbraun anbraten, mit Kalbsjus deglacieren. Reservieren.

    Das Toastbrot in kleine Croûtons schneiden, in Butter anbraten und auf Küchenpapier legen.

    Das Petersilienpüree erwärmen und im letzten Augenblick mit Senf aus Meaux aufmontieren. Nachwürzen.

    Die Zitronenschalen im Zucker-Salz-Jus kandieren.

    Anrichten

    Kalbries ins Zentrum eines sehr warmen Tellers geben und mit Kapern, Zitronenschale und Croûtons bestreuen. Jus darübergeben. Einen Kloß Petersilienpüree dazulegen.
Individualisten am Herd
    Statt eines Männerbundes aus diversen Kumpeln mit Schwerpunkt Lyon schwangen jetzt Individualisten den Schneebesen, die weder mit den Altstars der Nouvelle Cuisine noch untereinander Kontakte pflegten. Immerhin: Die Köche konnten ihren Vorgängern nicht vorwerfen, ihre Küche sei barock und schwer. Und eines hatte die Nouvelle Cuisine bewirkt: Es gab keinen »offiziellen« Stil mehr, dem es zu folgen galt. Verschiedenste Stil- und Küchenrichtungen existierten in der Oberklasse fortan nebeneinander:
    Pierre Gagnaire (*1950) galt in den Achtziger- und Neunzigerjahren als einer der kreativsten Köche Frankreichs. Ursprünglich bewirtete er die Gäste in einem kleinen Lokal im Zentrum der Industriestadt Saint-Étienne.
    Wäre Gagnaire damals in einem Zirkus aufgetreten, hätte er wahrscheinlich gleichzeitig jonglieren, Feuer schlucken, gelegentlich ein paar Kaninchen aus dem Hut ziehen und auf einem Hochseil spazieren können. Als Koch hingegen wagte er zweimal täglich den dreifachen Salto am Herd, ohne Netz und doppelten Boden, malte mit Aromen nie geschmeckte Spezialitäten von ungeheurer Komplexität und schreckte vor keinem Geschmacksrisiko zurück.
    Bald befand Gagnaire jedoch, sein Talent brauche einen größeren Rahmen, und zog in eine pompöse Jugendstil-Villa. Ein Abenteuer, das 1996 im Konkurs endete – der ersten Pleite eines mit drei Michelin -Sternen ausgezeichneten Lokals. Nach einer Durststrecke, während der Gagnaire unter anderem für Whiskas warb, gelang ihm in Paris ein Comeback.
    »Gute Küche – das ist nicht nur Geschmack und Duft, das sind auch Temperatur und Konsistenz«, erklärte der Meister und kombinierte (fast zähe) Seeohren, saftige Jakobsmuscheln und zarte Meerspinne, mariniert in gewürztem Pampelmusenjus, begleitet mit Gelee von kleinen Oliven mit Lauch.
    Heute unterhält er Ableger in Courchevel, London, Berlin, Moskau, Seoul, Las Vegas, Hongkong und Tokio, was zeigt, dass sich auch Küchenstile, die vom Gast als »einmalig« empfunden werden, grenzübergreifend duplizieren lassen.
    Alain Passard (*1956) machte sich im Pariser Arpège als Rôtisseur einen Namen, servierte puristische Gerichte wie Seezunge mit Gurken und stellte pünktlich zum Höhepunkt der BSE-Krise seine gesamte Karte auf gesundes Grünes um. Keine rein vegetarische Küche, aber mit deutlichem Schwerpunkt auf Fisch und Gemüsen. Das eher schlichte Lokal etablierte sich über die Jahre als das teuerste von Paris und wirkt an vielen Tagen wie ein exklusiver Privatclub, wo das feine Paris Avocado-Mousse, Langustino-Tarama und französischen Kaviar, eine halbe Stunde sanft gegarten Steinbutt in Vin jaune, Zwiebelravioli mit Datteln oder Gemüse-Couscous mit marokkanischem Argan-Öl genießt.
    Michel Bras (*1946) wurde 1978 von einem namenlosen Gault-Millau -Mitarbeiter in Laguiole in der Auvergne entdeckt. Damals war er ein hagerer Bursche mit viel zu großer Brille, der das Dorflokal Lou Mazuc von seiner Mutter übernommen hatte. Der Hype um die Nouvelle Cuisine hatte ihn inspiriert, in seiner Küche mit Kräutern und Pilzen zu experimentieren.
    Nach seiner Entdeckung durch den Gault Millau erlebte Bras einen Blitzaufstieg; anders als in seinem Berufsstand üblich, weigerte er sich, nach Paris oder an die Côte d’Azur zu ziehen. Er schwärmte von seiner Region, lief durch die Wälder, fotografierte Berge und Pflanzen des Aubrac.
    Später zog er in eine moderne Bergfestung aus Glas und Granit: Trotz allen Designs wirkt Bras’ Auberge nicht kalt, sondern eher hell und luftig – und fügt sich auf ihre eigene Art wie gewachsen in die raue Landschaft ein.
    »So etwas kann man nur lieben oder hassen – aber das Hotel wurde ganz nach meinen Vorstellungen gebaut. Vergessen Sie ruhig mal die Architektur, alles im Haus ist darauf abgestimmt, von der Landschaft des Aubrac zu profitieren. Der Weg zwischen den Gästezimmern

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