Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
sieht.«
    »Nein«, sagte Funkel, »wie immer haben wir für alles, was wir riskieren, keine Garantie, dass es gut ausgeht.«
     
    Für Sonja waren Männer, die nach Schweiß rochen, das Gegenteil von erotisch; was jedoch der Typ ausdünstete, der alle fünf Minuten in die Küche kam, bekleidet mit einem grauen Trainingsanzug, der ihm mindestens eine Nummer zu klein war, das verschlug ihr den Atem und die Sprache, und sie hielt sich ungeniert die Hand vor die Nase. Ihre beiden Kollegen nahmen das Auftauchen des schmerbäuchigen Mannes mit den muskulösen Armen offenbar gleichgültig hin. Und jedes Mal, nachdem er sich ein frisches Bier aus dem Kühlschrank geholt hatte, drückte er seiner Freundin einen Kuss ins Haar und brummte: »Wird schon wieder« oder: »Ganz ruhig, Baby«.
    »Tut mir Leid«, sagte Kirsten Vogel nun schon zum dritten Mal, »aber er braucht das, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, er muss sich dann erst mal auf die Couch legen, ein Bier trinken und den Fernseher anmachen. Sie wissen ja, so als Fahrer, das ist ein harter Job, er ist total fertig, das sehen Sie ja. Tut mir Leid, dass wir deswegen in der Küche sitzen müssen.«
    »Das macht nichts«, sagte Sonja, die weder ihre Mütze noch ihren Mantel abgelegt hatte, weil es ihr hier zu kalt war. »Wohnt Herr Garbo bei Ihnen?«
    Paul Weber im Lodenmantel und Andy Krust in schwarzer Motorradlederjacke hockten nebeneinander auf zwei Plastikklappstühlen, die Hände im Schoß, und sahen aus wie Zuschauer, die nur zufällig in dieses Geschehen hineingeraten waren. Andy dachte an die langweilige Nacht, die ihm bevorstand, wahrscheinlich in dieser trostlosen Küche, und Weber starrte die Tür an, als könne er erkennen, was dahinter vor sich ging, und begreifen, welche Rolle dieser Mann im Trainingsanzug, Hans Garbo, bei Raphaels Verschwinden spielte.
    »Manchmal übernachtet er bei mir«, sagte Kirsten leise. Sie hatte ein blaues Auge und eine Schramme, die Sonja heute Morgen auf der Beerdigung nicht bemerkt hatte, und ging ein wenig gebückt.
    »Sind Sie hingefallen?«, fragte Sonja.
    »Ja.«
    »Haben Sie Schmerzen?«
    »Nein.«
    »Ihr Mann wohnt also nicht mehr hier?«, sagte Sonja und leckte sich die Lippen; sie hatte einen trockenen Mund und hätte gern etwas getrunken, aber Kirsten bot ihnen nichts an.
    »Das hab ich doch schon gesagt.« Kirsten warf Weber einen Blick zu, und der Kommissar nickte.
    »Was wollte Ihr Mann denn heute Nachmittag bei Ihnen? Wir hatten doch ausgemacht, jeder von Ihnen soll in seiner Wohnung auf einen möglichen Anruf von Raphael warten.«
    Kirsten kratzte sich die Innenseite der linken Hand und holte tief Luft. Der wacklige Baststuhl, auf dem sie saß, knarzte. »Er … er hat sich Sorgen gemacht, er wollte wissen, wie’s mir geht, und dann ist er wieder gegangen, weil seine Freundin … seine Freundin ihn angerufen hat, Eva, sie …«
    Aus dem Wohnzimmer kam lautes Gebrüll, ein Ansager kündigte zwei Wrestling-Matadore an, und Garbo grölte. Andy und Sonja sahen sich an, und sie gab ihm ein Zeichen. Er stand auf und ging hinüber.
    »Würden Sie bitte den Fernseher leiser machen?«
    Garbo lümmelte auf der Couch, vor der vier leere Bierflaschen standen, und winkte ab, als Andy hereinkam. Der junge Polizist blieb an der Tür stehen. Die Kämpfer schrien und schleuderten sich gegenseitig durch die Luft.
    »Bitte machen Sie den Apparat leiser, wir wollen uns unterhalten, außerdem geht’s Ihrer Freundin nicht besonders gut.«
    Garbo nahm einen Schluck aus der Flasche, sah Andy an, dann zum Fernseher, stellte die Flasche auf den Boden, griff neben die Couch, holte die Fernbedienung hervor, stellte leiser, legte die Fernbedienung wieder auf den Boden, nahm die Bierflasche und winkte Andy zu, er möge verschwinden. Das tat er auch, er machte die Tür, die Garbo nur angelehnt hatte, fest zu.
    »Danke«, sagte Sonja, als Andy sich wieder neben Weber setzte, dessen Bauch kurios aus dem Mantel herausragte.
    »Ihr Mann und Ihr Freund Garbo«, fing Sonja an, bemüht, langsam zu sprechen und ihre Ungeduld zu unterdrücken. »Kennen sich die beiden?«
    Kirsten nickte.
    »Ihr Mann hat nichts dagegen, dass Sie einen Freund haben?«
    »Das hat doch Ihr Kollege schon gefragt, nein! Er hat nichts dagegen, er hat seine Freundin, ich hab meinen Freund. Ich bin nicht so gern allein, verstehen Sie das, Frau Kommissarin?«
    »Ja, das versteh ich, aber …«
    »Ich glaub nicht, dass Sie das verstehen.« Sie richtete sich auf,

Weitere Kostenlose Bücher