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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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für mich gar nicht typischen wollüstigen Klang verlieh. – Vielleicht könnten wir uns irgendwie gütlich einigen? Oder? Wir sind doch erwachsene Leute. Stimmt’s?
    Die Aschfarbige verengte ihre Augen zu mörderischen Schlitzen, das Industriekupfer blitzte mich altersweitsichtig an.
    – Wie meinen Sie das? – fragte sie gedehnt wie ein Dozent beim Examen.
    – Bhe? – blubberte das Industriekupfer.
    – Hermann, – besorgt versuchte Olga mich aufzuhalten.
    – Na ja, ich weiß nicht. – Diese Reaktion hatte ich nicht erwartet und geriet daher etwas aus dem Konzept. – Es gibt doch Möglichkeiten für eine Einigung. Eine gütliche, – schlüpfte mir heraus.
    – Was erlauben Sie sich eigentlich? – Angela Petrownas füllige Stimme wurde immer höher, als rolle sie Felsbrocken einen Berg hinauf. Brünhilde nickte hektisch. – Was bilden Sie sich eigentlich ein? Haben Sie etwa DORT bei sich gelernt, die Dinge so zu regeln? Reden denn DORT bei Ihnen alle so?! – Ihre Stimme überschlug sich jetzt wie ein Felsbrocken unterhalb des Gipfels und raste blind bergab, alles hinwegfegend. – Wissen Sie überhaupt, was Sie da reden? Glauben Sie, wir spielen hier Komödie? Das können Sie sich vielleicht DORT erlauben! Aber HIER sind Sie nicht bei sich zu Hause! Olga Mychajliwna, – wandte sie sich an Olga, – ich kann Sie wirklich nicht verstehen!
    Die beiden Pensionärinnen erhoben sich majestätisch, warfen mir ein verächtliches »Auf Wiedersehen« zu und verschwanden aus der Tür. Allerdings versprachen sie, morgen wiederzukommen.
    Ich fühlte mich unbehaglich.
    – Du hast sie offenbar beleidigt, – bemerkte Olga, während sie irgendwelche Dokumente ordnete.
    – Kann uns das schaden?
    – Und wie, – sagte Olga im ernsten Ton. – Wenn diese Hexen dich irgendwo auf der Straße erwischen, Hermann, ist Schluss mit lustig.
    – Was meinst du damit?
    – Sexuelle Nötigung natürlich, – sagte Olga und verstaute die Dokumente in der Tischschublade. Spaß beiseite. Wir haben eine Betriebsprüfung am Hals. Die zwei alten Giftnudeln werden jetzt jeden Tag auftauchen und verlangen, dass ich dein Geschäft schließe.
    – Und was wirst du machen?
    – Ich bin Buchhalterin, Hermann, – sagte Olga, – ich mache meinen Job. Also keine Angst.
    – Aber sie sind doch nicht einfach so auf mich gekommen.
    – Glaubst du? – Olga nahm die Brille ab und musterte mich von Kopf bis Fuß. Ihr Blick war irgendwie müde.
    – Ich habe gestern mit ihrem Unterhändler gesprochen.
    – Wer war das?
    – Nikolai Nikolaitsch, so ein Kleiner. Ihr Unterhändler.
    – Ein Kleiner? – fragte Olga zurück.
    – Ja.
    – So ein Wurm?
    – Genau.
    – Das ist ihr IT -Mann.
    – Was?
    – Na, der IT -Mann, repariert ihre Computer.
    – Spinnst du?
    – Nein. Die scheinen dich überhaupt nicht ernst zu nehmen. An deiner Stelle würde mir das zu denken geben.
    – Na so was, IT -Mann. Dabei sieht er ganz anständig aus.
    – Auf jeden Fall löst das nicht unser Problem.
    – Und was ist unser Problem? – fragte ich sie für alle Fälle.
    – Ich werde es dir erklären.
     
    Wir hatten jede Menge Probleme, aber das Hauptproblem war offensichtlich das Fehlen einer Kopie des Protokolls einer Mitarbeiterversammlung eben jenes Öltanklagers, zu dem mein heutiges Eigentum einmal gehört hatte. Mein Bruder hatte sich wohl nicht allzu sehr um Papiere geschert. Das war nicht sein Stil, seine Angelegenheiten regelte er mittels privater Abmachungen oder ordinärer Raufereien, kein Wunder also, dass die Dokumente nicht in Ordnung waren. Die beiden Schreckschrauben waren darüber offensichtlich im Bilde, man hatte sie nicht unvorbereitet an die Front geschickt. Und wenn auch unsere Bücher und Steuererklärungen, wie Olga versicherte, in Ordnung waren, so konnte es wegen der Bewilligung wirklich Probleme geben, man musste also schnell handeln. Was genau zu tun war, davon hatte ich natürlich keinen blassen Schimmer. Alles wäre ganz einfach, sagte daraufhin Olga, man müsse nur den ehemaligen Direktor des Öltanklagers anrufen (Ehrenbürger dieser Stadt, Hermann, damit du’s weißt) und ihn überreden, das verfuckte Protokoll nachträglich zu unterschreiben. Und sie hängte sich ans Telefon.
    Ich ging ans Fenster und schaute hinaus. Draußen stand immer noch der Jeep, die getönten Scheiben halb heruntergelassen, und ich hätte schwören können, dass sich Kolja und Brünhilde Petrowna auf dem Vordersitz leidenschaftlich küssten, während Angela

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