Die Erfindung des Jazz im Donbass
schlecht schliefen.
*
Am nächsten Morgen trieb die Sonne munter Regennebel zwischen den Kiefernstämmen hervor, die Pfützen rauchten wie offene Kühlkammern, die Vögel tranken vom dunkelgrünen Laub. Olga wrang ihr T-Shirt aus und schüttelte es aus, dabei versuchte sie, nicht in meine Richtung zu sehen. Auch ich fühlte mich alles andere als gut, mich quälten Zweifel und Gewissensbisse, vielleicht hatte ich etwas falsch gemacht, warf ich mir vor, vielleicht hätten wir doch Sex haben sollen? Und wenn ja – wozu? Mit einem Wort, ich fühlte mich wirklich wie ein Jungpionier, der sich keine Chancen ausgerechnet hatte und bei dem es noch dazu auch nichts geworden war.
– Hermann, – sagte Olga trocken, – ich hoffe, gestern war okay für dich.
– Natürlich, – beruhigte ich sie. – Vor allem die Zeitschriften mit den Bildern.
– Prima, – murmelte sie. – Prima.
Und ging zur Tür.
– Du hast deine Sonnenbrille vergessen, – rief ich ihr nach.
– Kannste behalten, – antwortete sie, ohne sich auch nur umzusehen.
Und das ließ ich mir nicht zweimal sagen.
*
Bald endeten die Wälder, um uns herum erstreckten sich weite Flächen voll Nebel und Feuchte, und unter dem flimmernden Horizont stand leicht und tief die Leere, die unter unseren Füßen begann und sich in östliche und südliche Richtung ausbreitete, sie schluckte das Wasser und das Grün, das lichtdurchflutete Gras, schluckte die Krume und die Seen, die Himmel und die Gasfelder, die an diesem Morgen unter der Erde schimmerten und in goldenen Adern auf die Haut des Vaterlandes traten. Und irgendwo südlich, hinter den rosafarbenen Wolken der Morgendämmerung, jenseits der morgendlichen Leere, erhoben sich klar und leicht die verführerischen Tore des himmlischen Woroschilowgrad.
*
Bei den Zapfsäulen herrschten Angst und Aufregung. Im Autositz saß, den Kopf in die Hände gestützt und vor sich hin sinnierend, der Versehrte. Daneben hockte Kotscha auf dem Schleudersitz. Auf der Erde kauerte ein Typ in angekokeltem Matrosenhemd, dem jemand eine Decke übergeworfen hatte. Der Typ schaute verängstigt drein und steckte den Kopf immer wieder unter die Decke. An der Seite stand die verängstigte Katja und hielt die genauso verängstigte Pachmutowa am Halsband, die sich an ihre nackten Beine und Jeans-Shorts drängte. Alle fünf sahen bedrückt aus. Offensichtlich warteten sie auf mich. Doch kaum war ich aufgetaucht, wandten sie ihre Augen ab, schwiegen angestrengt und warteten, dass ich zuerst spräche.
– Was ist los? – fragte ich misstrauisch.
– Ein Unglück, Freund, – verkündete Kotscha.
Der Typ am Boden löste sich aus seiner Erstarrung und wand sich gequält hin und her, als erinnere er sich an etwas Unangenehmes.
– Ich scheiß auf so ein Business, – brach es plötzlich aus dem Versehrten heraus. Er stand auf und verschwand in der Werkstatt.
– Was ist denn los? – fragte ich wieder.
– Den Tankwagen haben sie uns abgefackelt, Harry, – verkündete Kotscha. – Und Petrowytsch hier hat auch gebrannt.
Petrowytsch steckte den Kopf unter der Decke hervor und nickte eifrig.
– Er hat angehalten, ganz in der Nähe. Und da haben sie ihm zwei Brandsätze direkt in die Kabine geschmissen. Fast hätten sie ihn verbrannt, meinen Kumpel. – Kotscha tippte Petrowytsch auf die Schulter. – Katja hier hat alles gesehen und uns gerufen, sonst hätten sie aus Petrowytsch Spießbraten gemacht.
– Ich hab Pachmutowa Gassi geführt, – erklärte Katja verängstigt. – Auf der Landstraße.
– Habt ihr die Miliz gerufen?
– Haben wir, klar, – nickte Kotscha. – Aber scheiß auf die Miliz. Ist sowieso klar, wer das war. Aber kaum zu beweisen.
– Und Petrowytsch, hat der nichts gesehen?
– Petrowytsch macht sich in die Hose. Er wird nicht gegen sie aussagen, sagte Kotscha ohne jeden Vorwurf, – stimmt’s, Petrowytsch?
Betreten nickte Petrowytsch und verschwand hinter dem Kassenhäuschen.
– Wieso angezündet? – fragte ich verständnislos.
– Einfach so. Wir sind nicht die Ersten. Gut, dass es nicht die Tankstelle war.
– Und was jetzt?
– Keine Ahnung, Harry, – antwortete Kotscha ehrlich, – dichtmachen.
– Warum, verdammt?
– Sie fackeln uns sonst ab, Freund. Wenn sie schon Petrowytsch angezündet haben, was kommt als Nächstes? Petrowytsch fährt schon zwanzig Jahre hier.
– Ich werde überhaupt nichts dichtmachen, – antwortete ich.
– Wie du willst, – krächzte Kotscha.
– Bleibst
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