Die Erfindung des Jazz im Donbass
Tag drehten sich um den abgefackelten Laster. Katja und der Hund wurden heimgeschickt mit dem Befehl, die Grenzen des Dienstgeländes nicht zu überschreiten. Ich begann, mich wie ein echter Businessman zu fühlen und freute mich sogar heimlich, dass es so gekommen war. Jetzt konnte keiner mehr sagen, hey, Brüderchen, was machst du überhaupt hier, hau ab, du störst. Denn es war auch mein Tankwagen, den sie abgefackelt hatten. Außerdem hatte ich mich entschlossen, meine nicht allzu umfangreichen Ersparnisse zu investieren, also ging es jetzt ums Ganze. Kotscha hatte zwar den morgendlichen Schwächeanfall überwunden, aber statt sich an die Arbeit zu machen, saß er im Schleudersitz, paffte, wimmelte Kunden ab, hörte Musik mit meinem Player und erzählte Geschichten über die Entstehung des kleinen und mittleren Unternehmertums in unserer Region. Petrowytsch saß neben ihm, auch er rauchte eine nach der anderen und badete seine Wunden in Schnaps. Der Schnaps gab ihm offenbar den Rest, schon zu Mittag war er hackedicht, und gegen drei Uhr nachmittags rief der Versehrte den Rettungswagen, der Petrowytsch heimfuhr, damit er sich ausruhen konnte. So war das hier üblich. Ich setzte mich zu Kotscha und lauschte ihm, seine Euphorie hielt an, er hatte einen dankbaren Zuhörer gefunden und ließ sich lang und breit über eine besonders irre Brigade aus, die vor circa zehn Jahren hier an der Straße unterwegs war.
– Ja, – sagte Kotscha und nahm einen tiefen Zug, und die Worte flossen ihm heiser und gedehnt aus dem Mund, – ich hab sie alle gekannt, Harry, wunderbare Menschen. Einfach und fleißig, sage ich dir. Nur dass sie viel kifften, und das geht ins Geld, capito. Irgendwo kaufen sie eine Ladung Kalaschis, wollen sie weiterverscherbeln, da kommt die Hyperinflation. Was tun? Wegschmeißen ja wohl kaum. Dann also immer drauf auf die Busse nach Charkiw. Zwei kauften sich Tickets und fuhren mit. An der Stadtgrenze, gleich hier, warteten die anderen im Auto. Die klauten immer alte Autos, damit es nicht so schade wäre, sie stehenzulassen, ich sag doch – die Kerle waren okay, nur der Shit, Freundchen, na, du verstehst schon, oder? Und diese blöden Wintermützen, die sie hatten, mit Schlitzen für die Augen. Sie stoppten also den Bus, zogen sich die Mützen über und raubten alles, was sie zu fassen kriegten. Um nicht aufzufallen, rupften sie auch ihre eigenen Leute, die im Bus saßen.
– Warum saßen die überhaupt drin? – wollte ich wissen.
– Um falsche Zeugenaussagen zu machen, – erklärte Kotscha. – Sie machten bewusst falsche Aussagen, erzählten irgendwelchen Scheiß und verwirrten die Polizei. Klar?
– Klar.
– Es war Winter, – fuhr Kotscha fort. – Und sie zogen ihre Mützen nicht ab. So wurden sie auch gefasst. Aber drei Busse hatten sie ausgenommen, so war das, – verträumt blickte Kotscha hinaus auf die Landstraße, wo die Schatten seiner Rostower Freunde standen, mit Sporttaschen voller Zaster, und ihrem alten Bekannten zunickten.
*
Wir beschlossen, neben den Zapfsäulen Wache zu halten, damit niemand sie abfackelte. Mhm, Freundchen, krächzte Kotscha, damit du es nur weißt, sie kommen wieder, und ich werd nicht schlafen, bin doch nicht blöd, will doch nicht, dass man mich röstet, Freundchen. Er hatte es mit dem Fahrrad runter ins Tal geschafft und ein paar Flaschen Portwein erstanden; er setzte sich auf den Schleudersitz, den Alk griffbereit, und redete ohne Punkt und Komma, bei den Fallschirmjägern hätte er ganz anderes erlebt und dass er schon mit diesen Frischlingen umzugehen wisse. Bloß keine Angst, sagte er und reichte mir die Flasche, wenn’s sein muss, kann ich auch mit dem Messer oder mit dem Nunchaku. Gegen Abend machte Kotscha direkt neben den Zapfsäulen Feuer, ich wollte ihn stoppen, aber er geriet außer sich, schrie, er wisse es besser, rollte zwei leere Eisentonnen heran, füllte sie mit alten Zeitungen und zündete alles an. Die Zeitungen brannten weniger, als dass sie stanken. Der Versehrte kam angetrabt, schimpfte Kotscha aus und bat mich, Wasser in die Tonnen zu gießen. Bevor er heimfuhr, flehte er Kotscha an, schlafen zu gehen, der aber weigerte sich stur und benahm sich überhaupt frech und sprunghaft, beschimpfte den Versehrten als schwule Socke und warf sich ihm gleich darauf an den Hals, um ihn zu küssen. Schließlich hielt es der Versehrte nicht mehr aus. Er fixierte uns zornig, dann fuhr er in die Stadt. Kotscha schickte ihm einen Fluch und
Weitere Kostenlose Bücher