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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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du?
    – Mal sehen, – antwortete er unwillig. – Bin schon ziemlich alt für solche Mätzchen.
    – Und was ist mit dem Benzin?
    – Wir müssen neues kaufen.
    – Und von welchem Geld?
    – Geld, Harry, ist keins da. Und auch keins in Aussicht.
    Offensichtlich hatte Kotscha in der Nacht wieder nicht geschlafen; während des Gesprächs nickte er einfach ein. Ich ging zum Versehrten. Auch er war der Meinung, dass wir den Benzinverkauf einstellen sollten. Wenigstens für eine Weile. Wenn die Maistruppe schon den Tankwagen angezündet hatte, würde sie es kaum dabei belassen – mittendrin aufhören, das war nicht ihr Stil. Die Bullen würden wohl kaum etwas unternehmen, auch die öffentliche Meinung war, wie es aussah, nicht auf unserer Seite.
    – Und wenn wir nicht dichtmachen? – fragte ich.
    – Wir können auch nicht dichtmachen, – antwortete der Versehrte. – Glaubst du, ich hab Angst? Einen Scheiß hab ich. Aber du fährst morgen weg, und mich und Kotscha werden sie abfackeln, während wir schlafen.
    – Woher nimmst du, dass ich wegfahre? – fragte ich beleidigt.
    – Aus deinem Lebenslauf, – antwortete der Versehrte. – Deinen Bewerbungsunterlagen.
    – Was weißt du von meinem Lebenslauf?
    – Hermann, – erklärte mir der Versehrte geduldig. – Erzähl mir doch nichts. Du hast gut reden, du kannst immer irgendwohin zurück. Aber wir, was sollen wir machen?
    – Schura! – Auch ich versuchte mich zu beruhigen und einen gemäßigten Ton anzuschlagen. – Mein Vorschlag: Ich fahre nicht weg, und die Tankstelle machen wir nicht dicht.
    – Du fährst nicht?
    – Nein.
    – Na, weiß nicht. Heute fährst du nicht, und morgen bist du verschwunden.
    – Schura, – sagte ich. – Ich fahre nicht heißt, ich fahre nicht.
    – Na, was weiß ich. – Der Versehrte zweifelte immer noch.
    – Was machen wir mit dem Benzin?
    – Neues kaufen, – antwortete der Versehrte. Knete ist keine da. Dass uns jemand ersetzt, was verbrannt ist, glaubst du ja wohl selbst nicht.
    – Also hör zu, – sagte ich nach einigem Nachdenken, – ich gebe mein Geld dazu, irgendwie werden wir es schon wiederkriegen.
    – Du hast Geld?
    – Nicht viel, – dämpfte ich seine Erwartungen.
    – Na dann los, – sagte Schura.
    Ich lieh mir sein Telefon und wählte Loliks Nummer.
    – Lolik! – rief ich, als ich auf der anderen Seite ein missmutiges Schnaufen hörte. – Wie geht’s euch, Freunde?
    – Harry! – antwortete Lolik irgendwie nervös. – Na du hast Nerven. Wer macht denn so was. Wann kommst du?
    – Lolik, – unterbrach ich ihn. – Hör zu. Ich hab Probleme hier.
    – Willst du heiraten?
    – Nein. Vorerst nicht. Aber ich brauche mein Geld.
    – Wozu?
    – Ich hab Probleme, Lolik. Mit dem Business.
    – Du hast ein Business?
    – Mein Bruder, hab ich dir doch erzählt.
    – Und?
    – Um es kurz zu machen, ich brauche mein Geld. Bringst du es mir?
    – Harry, verstehst du, worum du bittest? Ich kann nicht einfach alles stehen und liegen lassen und dir dein Geld bringen.
    – Aber ich brauche es dringend, – erklärte ich. – Sonst krieg ich noch mehr Probleme.
    – Harry, wozu brauchst du das Geld?
    – Hab ich dir doch gerade erklärt.
    – Komm zurück und wir reden drüber. Wir sind doch Freunde.
    – Genau, – bestätigte ich. – Wann bringst du es mir?
    – Wozu denn, ich versteh das nicht.
    – Man hat mir den Tankwagen abgefackelt, ich habe nichts, um Benzin zu kaufen. Auf, Lolik, beweg deinen Arsch und hilf einem Freund aus der Patsche.
    – Na, weiß nicht, – antwortete Lolik unsicher. – Muss ich mit der Leitung besprechen. Im Moment kann ich sicher nicht. Vielleicht übermorgen.
    – Komm, Kumpel, bitte, – schrie ich in den Hörer. – Sonst fackeln sie mich ab. Weißt du, wo es liegt? – fragte ich.
    – Ja, – antwortete Lolik düster. – Im Hegel.
    – Genau, – bestätigte ich, – zweiter Band.
    – Weiß ich doch, – antwortete Lolik und verschwand aus dem Äther.
    – Wer war das? – fragte der Versehrte, der unser Gespräch mit angehört hatte.
    – Parteikollegen, – antwortete ich und gab ihm das Telefon zurück.
    – Soll ich die Nummer löschen oder speichern? – fragte er nach.
    – Kannst sie löschen. Die melden sich schon wieder.
    Der Versehrte griff nach einem Hammer und drosch auf irgendwelches Metall ein. Ich ging hinaus und blickte in den Himmel. Er hing tief und voller Wolken. Die Wolken sahen schwer und übervoll aus. Wie Tankwagen.

9
    Alle Gespräche an diesem

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