Die Erfolgsmasche
vorspielen werden.
Aber ich musste ja alles kaputt machen.
Unsere Homestory landet auf dem Titel der Frauenliebe und Leben . »Star-Autor Sebastian Richter öffnet uns die Tür zu seinem privaten Reich! Exklusiv für Frauenliebe-und-Leben -Leserinnen!« Wenige Seiten später sitzt Sebastian Richter schreibend vor seinem Kamin und lächelt dem Betrachter entgegen. Neben ihm auf dem Beistelltisch steht ein Glas Rotwein, und im Hintergrund liegt ein großer zotteliger Hund. Den haben wir uns von Elvira ausgeliehen, obwohl sie uns lieber das Schwein Eduard zur Verfügung gestellt hätte. Ich habe Elvira bei der letzten Klavierstunde erklärt, dass ich privat nichts von ihrem Mann will.
Da hat sie gelacht und gemeint, ich könne ihn haben. Sie habe nicht die Absicht, jemals wieder mit einem menschlichen Wesen zusammenzuwohnen.
Als die Klavierstunde vorbei war, hat sie, während sie den üblichen Fünfzig-Euro-Schein aus der Handtasche zog, beiläufig erwähnt, dass sie und ihre Tiere jetzt ein Profil bei Facebook erstellen wollen. Ob ich zufällig jemanden wüsste, der ihr dabei helfen könnte? Sie bräuchte allerdings jemanden, der wirklich verständnisvoll und geduldig sei und ein Herz für Tiere habe. So wie ich.
Natürlich habe ich ihr sofort Siegfried empfohlen.
Und der ist auch schon bei ihr gewesen. Ich glaube, die beiden verstehen sich.
Aber zurück zu »unserer« Homestory. Ganz großes Kino! »Vater werden ist nicht schwer - Vater sein dagegen sehr!« lautet die fett gedruckte Überschrift. Im Vorspann steht: »Sebastian Richter, wie er wirklich ist! Wie er lebt, woher er seine Ideen nimmt und wo er wieder auftankt. Demnächst erscheint sein Musical mit Schlagern von Tom Konrad! Karten jetzt online bestellen!« Auf mehreren Seiten ist dann das Leben des alleinerziehenden Vaters und Autors in allen Facetten dargestellt. Man sieht ihn beim Frühstückmachen in der Küche, beim Joggen mit Alex und dem Hund auf der Hellbrunner Allee, beim Kochen in der Landhausküche, beim Blumengießen auf dem Balkon. Er sitzt zwischen Greta und ihrem Klon in der Gartenlaube und macht mit ihnen Hausaufgaben, er füllt lächelnd die Waschmaschine und steht konzentriert am Bügelbrett. Meine entzückende Gastmutter Charlotte hat ihm schnell die erforderlichen Handgriffe gezeigt. Man sieht ihn mit Pauli Rollerbladen und mit Greta und dem Klon beim Staudenpflanzen.
Das Wetter hat wirklich hervorragend mitgespielt. Die Kinder auch. Und das kam so:
Als ich an jenem denkwürdigen Abend nach einem ziemlichen Gewaltmarsch ins Krankenhaus zurückkam, saßen sie alle vier auf dem Bett und starrten in den kleinen Fernseher. Ich hatte schon den ganzen Weg über mit den Tränen gekämpft. Als ich dann in das muffig riechende Krankenzimmer kam, wo erwartungsgemäß keiner von mir Notiz nahm, schlich ich mich erst mal ins Badezimmer, um mir kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Bewaffnet mit einem Handtuch, hinter dem ich mich bei einer akuten Tränenflut verschanzen
wollte, kam ich dann heraus und begann ihre leeren Flaschen und aufgerissenen Süßigkeitsverpackungen einzusammeln. Das Klappern und Rascheln hat sie wohl gestört, denn auf einmal nahmen sie mich wahr. In diesem Moment liefen mir die Tränen dermaßen über das Gesicht, dass ich mit dem Schnäuzen gar nicht mehr nachkam. Es ist wirklich erstaunlich, wie viel Tränenflüssigkeit ein Mensch produzieren kann.
»Mamaaaa! Du heulst ja!«
»Ja! Tut mir leid!«
»Was ist denn los?«
Plötzlich streckten sich acht Arme nach mir aus, und ich sank auf das kekskrümelverunzierte, schokoladenfleckige Bett. Dann hörte ich, wie jemand sagte: »Eh, macht doch mal den Fernseher aus, die heult echt!«
»Wer hat dir was getan, Schwiegermama? Den schlag ich zu Brei!«
Ich schluchzte Unverständliches in das Handtuch, jammerte, wie dumm ich doch wäre, aber auch gar nichts auf die Reihe kriegte und …
Und plötzlich wollten die Kinder das so gar nicht im Raum stehen lassen!
»Mama, du bist die Beste, Netteste, Liebste …«, krächzte die kranke Tochter heiser. Was sprach da aus ihr? Die Narkosemittel?
»Echt wahr, Schwiegermama«, fiel jedoch auch der süße Pauli mit ein und strich mir sanft übers Haar. »Absolut cool und total nett!«
»Du bist die voll süße Gastmutti«, sagte der Klon.
Das Kuckuckskind hat mit mir gesprochen! »Meinst du das ernst?«, habe ich voller Rührung geschluchzt.
Der Klon nickte bestätigend und starrte mich aus schwarz umrandeten Augen an.
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